content

TOMTE – Hinter all diesen Fenstern

(Grand Hotel van Cleef)

Standortnachteil Liebe? Eben nicht, denn: Endlich! Musik zu der man sich sofort herzensgerne vom Balkon stürzt. Endlich, Musik, wegen der man seine besten Freunde nachts raus klingelt. Endlich, Songs, die man lauthals in der S-Bahn mitsingt. Endlich, Lieder die man verwirrten Fremden zitiert. Endlich, Musik, mit der man jeden DJ Dingsbums fertig kriegt. Endlich, Texte, die man in jeder Flußbiegung grölt. Endlich eine CD, bei der man jede Verabredung sausen läßt. Endlich Zeilen, die man irritierten Bullen vorsingt; „eine Mischung aus Angst und Bier“. Endlich, eine Supermarktfrau, die plötzlich einfach mitsingt. Von Gott berührt. Wir haben keine Angst mehr. Hinter all diesen Fenstern in komischen Städten. Endlich. Denn hier geht es nicht nur um Songs und Texte, hier geht es immer um alles, also das ganze Leben. Nenn es Soul, nenn es Wissen, sag Rock oder Underground, frag nach Erfahrungen, die Antwort heißt immer Leidenschaft und Herzensgüte. Darauf beruht alles. Und das plötzlich berührend singen zu können. Mehr geht nicht. Zu dieser Platte kann und muß man tanzen, schreien, weinen, fluchen und sich selbst verlieren. Hier geht es wirklich darum, „daß was man hat zu verschenken“. Und das mit Würde zu schaffen.  Diese Platte geht mitten rein, da wo’s wirklich weh tut. Sehr dicht, sehr präzise, sehr poetisch und schwer berührend. Als könnte es Trost geben für endlose Traurigkeit, melancholisches Hoffen und euphorisches Weitermachen.

Nach zwei verkorkst, zappligen Platten aus Unsicherheit und Nervosität sind Tomte plötzlich bei sich selbst zu haus. Davor vielleicht ein Hoffen, die Ahnung zu scheitern. Aber sie haben gelernt worum es geht: das Leben zu lieben, trotz der Konsequenzen, die das haben könnte. Eben das Wissen darum macht sie nun aus. Alles tat weh, nach all diesen Fehlern. Aber jetzt ist alles gut, mit dieser Musik, diesem Gesang. Jetzt braucht die Zeit nicht mehr zu trösten, denn das übernimmt diese Platte. Wir werden ihnen glauben, denn es ist leicht sich zu verlieren.

Die beste deutschsingende Platte dies Jahr! Versprochen. Kennt man das, was man weiß wirklich? Sag ihnen, daß wir fast zu lange auf sie gewartet haben. »Und ich nahm mir meine Zeit, um Zenit zu buchstabieren«, singt Thees Uhlmann im letzten Song. Wo Blumfeld ohne Not aufgegeben haben, sind Tomte längst weiter: Wut, Angst, Nervosität, Hektik, Gelassenheit, Trauer, Unsicherheit. So traurig und stolz hat schon sehr lange keiner mehr gesungen. Aus den Häusern, in denen wir leiden, hinter all diesen blinden Fenstern. Eine Gabe, authentische Erfahrungen in ergreifendendem Pop zu bündeln. „Denn das hier ist die Welt, bitte sei stark.“

Nehmt euch Zeit für eure Ankunft. Man könnte das Leben auch lieben. Der einfache Weg nach draußen, Tomte hören und verstehen. Tatsächlich der einzige Weg, den es sich lohnt zu gehen. Ihr werdet hören und verzweifeln, denn es ist mehr als die „Schönheit der Chance“. He Auskenner, ich bespreche hier kein Produkt, ich rede über eine Haltung, über Leidenschaft und Ehrlichkeit. Es war wundervoll als wir uns trafen, denn darüber kommt man nicht mehr hinweg. Darum geht’s: einfach alles zu umarmen, was man liebt.

Ronald Galenza    10.9.2003    ZONIC, Greifswald