TOMTE - Buchstaben über der Stadt
(Grand Hotel van Cleef)
Wie alles begann: „William, it was really nothing“. Ach Thees, ein großartiger Smiths-Song, aber das war wirklich noch gar nichts. Aber von da an hast du gewußt, da könnte was gehen. Caramba, für eure beiden frühen Platten habe ich viel Geld für eine unbegründete Hoffnung verloren. Tomte haben sich nach Astrid Lindgrens Kinderbuch «Tomte Tummetott» benannt. Das war es mir wert, denn ich wußte, diese Dorfpunks werden eines Tages auspacken. Und alles wissen und sagen und singen. In euren Körpern war einfach noch kein Zweifel. Wie lange habt ihr selbst über euch gerätselt, was die Welt oder euch bewegt? Aber ich weiß wann es wirklich begann. Dorfpunks auf dem Weg in die Stadt des Lichts. Der Probleme. Der Veränderungen. Der Hoffnungen und Verluste. Als wärs die Leidenschaft, die treibt, die den Himmel erhellt.
„Du hast so bitterlich geweint, nur zwei Meter von mir.“ Dabei ging es um alles! Und noch viel mehr. Du beschwörst die schönsten Songs der Welt, als hätten wir noch soviel Zeit. Ihre Platte davor, „Hinter all diesen Fenstern“, klang frei, stolz, wissend und unsagbar schön. Die neue klingt so, als ob sie gut werden sollte, ja mußte. So angestrengt schön. Nicht zufällig haben Thees Uhlmann (Tomte) und Marcus Wiebusch (Kettcar) eine Wette laufen, welche ihrer beiden Scheiben höher in die Charts einsteigt. Ging es darum? War die letzte Platte naiver, zweifelnder, schwelgerischer, klingt die neue fast philosophisch wissend, älter, fragend. Aber wo ist diese verletzliche Beschwingtheit hin, diese unsagbaren Verlustängste? Die kleinen, privaten Geschichten, die die ganze Welt in sich wußten. Okay, Uhlmann hat sich verliebt, ist dermaßen glücks-stoned von St. Pauli nach Berlin gezogen. Er wohnt jetzt in einer Zweizimmerwohnung in Berlin-Kreuzberg. Ein großer Schritt. Und Glück singt sich nun mal schwerer als Angst. Er ging ohne Reue, ohne Furcht. Einige Songs sind beim Ausspannen im Elternhaus der Band Madsen im Wendland entstanden, die meisten jedoch im Zug, auf der ICE-Strecke zwischen Berlin und Hamburg. Und nun will er allen davon erzählen, im allerersten Song der neuen Platte „Ich sang die ganze Zeit von dir“ Ein rumpelnde Replik auf Kettcars Abschiedssong „48 Stunden“.
Die Gitarren sirren, die Gedanken schwirren. Manchmal klingt das wie Marsch-Mellow-Musik. Das ist Pop-Literatur und es ist Rock-Schwermut. Sehnsuchts-Swing und Fluß-Folklore. Scheiße, das können die wirklich. Mehr Authenzität und mehr Selbstaufgabe. Kesse Slogans, aber nicht so aufs T-Shirt berechnet wie bei Tocotronic. Endlich bei Tomte oder „man könnte sagen, daß man das stärker liebt, was man seltener sieht“. Er kennt die letzten großen Freundschaften der Welt. Es wird in Telefone gefleht. Und Thees hat in New York die Liebe erfunden. Eine Katze heißt „Links“, die andere „Rex“. Da kann man dieses Glück überbordend singen, ja strahlen hören. Auf unbefestigten Pfaden. „Aber die Sonne scheint sowieso“. Das sind Songs, die einen begleiten könnten. Einen langen Weg lang. Auch wenn man dabei die „stärksten und schönsten Söhne der Stadt verliert“. Was bei ihnen immer funktioniert ist, dass die Musik einen so berührt, ja mitnimmt. Zu sich selbst. Songs, die in einem wohnen bleiben, die man immer dabei hat.
Vor kurzem hat Uhlmann zusammen mit Jürgen Vogel und Marcus Wiebusch als Mitglied der Hansen Band in dem Film «Keine Lieder» über Liebe gespielt. Seitdem verbindet ihn mit Vogel eine echte «Männerfreundschaft». Er bekomme „herzzerreißende SMS“ von Vogel, verrät Thees. Und die Promotion-Maschine rattert wie geschmiert. Nicht nur alle Music-Mags spielen mit, auch fast alle Tageszeitungen sind auf einmal dabei. Und selbst eine Nachrichtensendung im Unterschichten-TV (SAT 1) berichtet tapfer über diese seltsame Kapelle.
Da steh ich nun traumselig mit dieser Musik. Ein dickes, glückliches Kind. Ein passionierter Mensch. Draußen lümmelt ein saumseliger Wind herum, der sich aufmacht, diese Buchstabensuppe zu verteilen. Damit wir uns nie verlieren. Ich reckte in den Himmel meine stolze Hand. Und nahm den Mond als Pfand. „Und ich sang die ganze Zeit von dir“, als hätten wir uns berührt. „Die Geschichte hat kein Ende“. Aber am Ende will wieder keiner sterben und alle sollen bitte am Leben bleiben. Und alles war aus Gold für einen kleinen Moment. Weißt du, was du mir bedeutest? Wir erinnern uns an alles... „Das sind die Dinge, nach denen wir uns sehnen.“
Ronald Galenza, 2.3.2006