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DIE ART – Fear

(Z Records)

 

Vor uns liegt ein Produkt, das tatsächlich schön anzusehen ist. Harte Kontraste, grelle Farbe, einfache Zeichen und Hochglanz, eine alte, wie sichere Form für wirksames Markendesign. Ein Wermutstropfen allerdings ist, daß Z Records seine dunkle Vergangenheit augenscheinlich noch  nicht vollständig bewältigen konnte und das gelungene Layout mit seinem yuppie-rosaweißen Logo unterwandert.

 

Das Die Art die weite, weite Welt sehen wollte, wissen wir nicht erst seit heute. Doch damit nicht genug, alle sollen es erfahren und verstehen: die New Yorker Docker, die Fixer aus Barcelona, die Nutten von Paris und die bayrischen Bierbrauer. Globetrotter-Ambitionen viersprachig auf dem Innenbeutel. Gesungen wird von gefallenen Engeln, fremden Stimmen, von „Marian“ im besonderen und der Liebe im Allgemeinen. Von dunklem Staub, der sich auf uns senkt, von Suizid und anderen drastischen Ärgernissen. Jede Menge düstertraurige Poesie, mit Hang zur Selbstzerstörung, einfach und wirkungsvoll. Oley hat – was diese Art Poesie betrifft – den Ruf, einer der besten in unseren Breiten zu sein. Punktum.

 

Die Songfolge der LP liest sich wie eine Hitliste. Aus der Tatsache, daß in diesem Herbst, wäre es reell zugegangen, nicht die erste LP, sondern ihre erste Best of-Platte fällig gewesen wäre, erklärt sich das beträchtliche Alter mancher Stücke. Die Namen der Songs haben live-erprobten Klang, Erinnerungen drängen sich an die Energie der Art-Konzerte auf. Diese tiefe Verbindung zwischen Seele und Körper aber vermag „Fear“ nicht herzustellen. Eine Feststellung, die mir als Fan schwerfällt. Nicht der Art, wie auch keiner der anderen Bands, die die neue Generallinie von Z Records (als einem Amiga-Nachfahre) manifestieren sollen und im letzten Jahr in der Brunnenstraße produziert haben, ist es gelungen, sich von den dort üblichen Sound- und Mix-Vorstellungen vollständig zu lösen und in die international gängigen Sound-Gefilde aufzubrechen. Ich vermisse da Mut zur Radikalität, Brillanz, Dynamik, Raum und Transparenz, ich vermisse Klang und Volumen. Der einzige Song, der auch auf Vinyl sein Eigenleben entwickelt, ist der Oldie „Heaven knows“. Da brechen die Wolken auf und man sitzt nicht konzert-erinnerungsversunken vorm Plattenspieler und schiebt am Equalizer rum. Warum nur?

 

Hardcore-Tendenzen, die im Uraltkultsong „Irish coffee“ gipfeln, halte ich für wenig authentisch und songdienlich. Oley schreit zu oft und singt zu wenig. Die Stücke rammeln zwar mehr, büßen aber an Spannung und Atmosphäre beträchtlich ein und bleiben so weit unter ihren Möglichkeiten. Trotzdem: Jeder Song ist ein Hit!

 

 

Ronald Galenza     NMI – Europa Rockzeitung          12/1990 (1. Novemberausgabe)  S. 18