Skeptiker - Dada in Berlin

 

Etwas skeptisch schaue ich auf die Uhr. Noch kein Skeptiker zu sehen, nur der Einlasser, der mißmutig die Leute einläßt. Es hat sich rasch rum gesprochen – da gibt es eine neue, junge Band, die erfrischende und energievolle Konzerte gibt – die Skeptiker.

Aber da beginnen auch schon die Probleme. Sänger Eugen Balanskat erklärt recht skeptisch: „In Berlin gibt es kaum Schwierigkeiten mit Auftritten. Aber wir wollen hier nicht zu oft spielen und uns frühzeitig verschleißen. Viel lieber würden wir öfter in der Republik auftreten, aber da sind kaum Konzerte zu bekommen“. Das Leid vieler der neuen Kappellen.

Die Musiker Eugen Balanskat (voc), Andreas Kupsch (g, voc), Christoph Buntrock (g, voc), Marcel Hofer (dr) und Andreas Welfe (b) haben schon vorher in verschiedenen anderen Amateurbands gespielt, meist Southern-Rock und Blues. Aber man wird bald müde, bei eigenen kreativem Anspruch wohlgemerkt, über die Dörfer zu ziehen und vier bis fünf Stunden live zu rocken. Mit dem Ziel, die Leute vom Bierglas wegzuspielen. Das deprimiert und schult. Also trafen sich die fünf im September 1986, um Neues zu probieren. Die neuen Ansprüche hießen: vor ein interessiertes Publikum zu gehen und eigene Titel mit deutschen Texten zu spielen.


Ihr Bandname entstand eher zufällig. Erst monatelang gesucht, fiel in einem Gespräch plötzlich das Wort „skeptisch“ und das wars dann schon. Nun ist der Umstieg von Southern- zu Punk-Rock nicht ganz einfach. Und wie verständigt man sich in einer Gruppe, in der der Jüngste 18, der Älteste aber 29 ist? Da aber alle mit Songideen kommen, die auf den Proben anbieten, fand man schnell die gemeinsame Richtung. Während der Proben entwickeln sich die meisten Titel. Dabei wird entwickelt und verworfen, immer schön skeptisch. Die Texte schreibt Eugen hinterher. Die behandeln einerseits persönliche Erfahrungen, die verallgemeinert werden wie in „Egal“, „Anders“ oder „Kummer“. Anderseits geht es um zeitgeschichtliche Themen wie „1933“ und „Dada in Berlin“. Er meint: „Leben ist so eine knallharte Sache, egal wo du lebst. Es ist nicht schwer, nur da zu sein, aber wirklich leben...?“

Dabei würde er gern mal so ein richtiges Liebeslied schreiben.

Innerhalb von zwei Jahren haben sich die Skeptiker einen guten Ruf in der Konzertszene erarbeitet, sich die „Sonderstufe mit Konzertberechtigung“ erspielt und eine „Parocktikum“-Session für Jugendradio DT 64 aufgenommen. Allerdings geistert ja immer noch der beleibte Irrglaube umher, man könne als Musiker ganz schnell und angenehm viel Geld verdienen. Ist nicht! Die skeptische Realität hier: drei bis vier Auftritte im Monat, lange Anfahrzeiten zum Proberaum, einer zerfallenen Kneipe außerhalb Berlins, und diverse Schulden für die eigene Anlage. Die Jungs gehen alle normal arbeiten. Thats Alltag.

Balanskat merkt voller Skepsis an: „Um so eigenständiger du in deiner Arbeit bist, um so mehr Probleme hast du. Man steht als junge Band unter dem ständigen Streß, nur von Monat zu Monat arbeiten und planen zu können.“ Denn die Probleme überwiegen die Erfolge bei weitem. Und da fühlen sie sich etwas allein gelassen. Denn es gibt die Forderung nach attraktiver, eigenständiger Musik mit niveauvollen Texten, aber eben ohne jede Unterstützung durch staatliche Stellen. Viele Amateurbands kennen und teilen dieses Los.

Michael Fiedler, der Bandtechniker, wirft ein: „Der Status der Band ist doch eigentlich egal, denn die Ernsthaftigkeit ist ja dieselbe. Die Musik soll uns Spaß machen, aber wir wollen eben auch ernstgenommen und anerkannt werden. Leider beschränkt der Amateurstatus oft auch den Bekanntheitsgrad einer Gruppe.“ Die Skeptiker wünschen sich deshalb ein offizielles, eigenständiges Kassetten-Label, um so einen zweifellos vorhandenen, breiteren Interessenkreis erreichen zu können. Denn sie haben noch einiges vor. Vielleicht probieren sie mal andere Instrumente und Stile, will sich aber keinesfalls aktuellen Modeströmungen unterwerfen.


Inzwischen schwitzen die Lederjacken, Blitzlichter blitzen. Live bieten die Skeptiker gut eine Stunde kraftvollen, schnellen Rock. Da tauchen dann auch Coverversionen von PVC und den Dead Kennedys auf. Eugen Balanskat, der auch Broadway-Melodien aus den zwanziger Jahren liebt, flitz hurtig hin und her in einem professionellen Sound. Tanzt keiner Boogie? Nö. Aber einige Spring-ins-Feld schaffen sich schon eifrig und bei „Dada in Berlin“ hopst der komplette Saal.

R. Galenza      „Unterhaltungskunst“    Heft 6/1988       S. 9-10