Iron Henning  - Kleine Männer aus Eisen

 

Kleine Männer – große Musik! Hier kommt der Eisenmann! Wir glaubten anfänglich ja immer, Iron Henning ist ein Metal-Band aus Henningsdorf. Sind sie aber nicht. Ihre Kinderfaxen vollführten sie in Berlin-Johannistal, ihre musikalischen Wurzeln sind jung und frisch: die neue Independent-Musik, irgendwo zwischen Rock und Trash.

Den ersten Auftritt erledigte Iron Henning im März ‚88 kurzerhand schon vor der allerersten Probe. Im Anschluß an die Grufti-Band Mildernde Umstände, wo Henning und Dorschan vorher arbeiteten, intonierten sie ein Cover-Versionen-Set mit Leckerhappen wie Helen Schneiders „Rock’nRoll Gipsy“ und Camper van Beethovens „Take the skinheads bowling“. Applaus, Applaus. Sänger Henning Rabe erläutert:  « Wir wollten einfach mehr die rockige und spaßige Seite reinbringen. Wir haben schon in der 6. Klasse herum experimentiert, Bänder von AC/DC oder Motörhead zusammengeschnitten und dann eigene Texte draufgesungen. Damals hießen wir noch Hinterhof-Action.“

In der 8. und 9. Klassefirmierten sie als Punk-Band The Motions, und da war auch Fox mit seiner Gitarre schon dabei, als Schlagzeug dienten leere „Fit“-Kartons. Daraus entstand also Iron Henning. Am Anfang lebten sie vorrangig von Hennings Ideen. Er hat einfach erklärt, wie es klingen soll oder es mit dem Mund vorgemacht (ööngg, ähjäh, krrrch...) Inzwischen friemeln aber alle an neuen Songs herum.


Vielleicht sollte man die Vier, Peter Miething ist als Pauker dabei, mal beschreiben. Sie sind alle schmal, klein und dünn, kaum 1.70 Meter groß. Schaut euch doch bloß mal den Sänger Henning an, den nennen sie nicht umsonst Eisenmann. Ein anderes, unerläßliches Merkmal der Band ist das Posing. Wenn Dorschan seine wirre Langhaar-Perücke überstülpt, locker das Bier am Baß aufreißt, bringt er voll den Rod Stewart. Auch Peter in seinen bunten Klamotten mit der großen Brille hat immer etwas von Elton John. Posing meint bei ihnen verkackeiern, ironisieren, lächerlich machen. Sie beherrschen alle Metal-Klischees, drehen die Propeller-Arme und pflegen endloses Headbanging. Klasse. Dorschan: „Wir beölen uns dabei, wir wollen einfach anderes machen, nicht so die jungen, coolen, schwermütigen Männer miemen. Wir wollen auch visuell was bieten: Entertainment.“

 Natürlich haben sie dabei auch selbst viel Frohsinn. So hatten sie eine zeitlang ein Potpourri mit den bunten Melodien der alten Männer des DDR-Rocks (Elektra, Puhdys, Demmler) im Konzert, über die sie sich schänderisch hermachten. Heute nehmen sie auch mal ganz bewußt einen Sound (Wedding Present) her, um daraus einen frischen eigenen Titel zu machen. „In der DDR gibt’s ja Unmengen von Gruppen, die nach anderen Bands klingen, bloß würden sie das nie zu geben. Wir zielen da schon ganz offen und locker auf bestimmte internationale Gruppen“, bemerkt Henning lässig.

 Iron Henning lebt sehr von dieser Frische, Lockerheit und Spontanität, da wirkt alles leicht und unaufgesetzt. Man kann ‚ne Menge Spaß mit ihnen haben. So spielen sie fast jedes Publikum auf die Schuhsohlen, wenn das auch über Land noch etwas schwieriger ist. Da erscheinen schon mal diverse Metaller zu ihrem Frühschoppen-Konzert. Zu den ersten Erfahrungen im Westen meinte Fox: „Uns kamen die Leute da viel aufgeschlossener, lockerer gegenüber Neuem vor. Die Zusammenarbeit mit den Technikern war auch viel besser, professioneller. Die waren einfach nicht so überheblich wie hier. Die nehmen dich so wie du bist und quatschen dir nicht laufend in deinen Sound und versuchen nicht, dir ihr Hippie-Ding reinzudrücken.“


Natürlich würden Iron Henning ganz gerne auch mal in Amsterdam, Brüssel oder Stockholm spielen, aber eigentlich mehr, um die Welt kennenzulernen. Vielleicht hilft ihnen dabei, daß sie im April in einem Westberliner Studio produzieren können. Auf die Frage, ob denn das Spielen in mehreren Gruppen, Dorschan agiert noch bei Torpedo Mahlsorf, Peter putzt außerdem bei B. Cronw die Felle, eher stimuliert oder mehr verzettelt, antwortet der Bassist: „Eigentlich ist das ganz günstig. Wenn mir die eine Band zuwider ist, bin ich eben bei der anderen und habe da Abwechslung.“ Peter ergänzt lax: „Bei mir ist es ähnlich. Bei Iron Henning wird eher schlampig gearbeitet und geprobt, bei B. Crown funktioniert das alles straffer und organisierter. Dafür ist Iron Henning wieder lockerer und kommt bei den Leuten besser an. Und das unterschiedliche Trommeln schult sehr. Ich find’ beides okay.“

Iron Henning zählt zweifelsohne zu den interessantesten Entdeckungen des letzten Jahres, denn wie gesagt: Kleine Männer – Große Musik!


R. Galenza     Journal Art & Action    4/1990      S. 36/37