Klick & Aus - Der Vergnügungsdampfer sinkt

Klick & Aus war eine der skurillsten, schrägsten und deftigsten Untergrundbands der DDR.
Im wegweisenden Kompendium „Spannung. Leistung. Widerstand.“ notierte ich im Geiste des Klick & Aus-Masterminds Tohm di Roes:

„Ende 1982 entstand unsere Band Klick & Aus. In der DDR herrschte ein Publikationsverbot, und bis auf den illegalen Offsetdruck gab es keine Möglichkeit seine Texte zu vervielfältigen. Also versuchten wir es unter dem Deckmäntelchen der Musik, und dort unter dem Label Jazz. Die hat man quasi in Ruhe gelassen. An dieser Stelle haben wir als blinde Passagiere angedockt. Das alles fiel in den beginnenden Musikaufbruch der DDR-Szene, jenseits der betreuten Rockbands. Der Untergrund fing fern ab der disziplinierten Absolviertheit eines Musikfaches aus Wut, aus Spaß, aus der Poesie der Durchschlagskraft an zu klingen. Wut und Aufschrei sind ja eine Frage des Temperaments, auch des individuellen Schicksals. Das führte mich u.a. zu Cpt. Beefheart, Frank Zappa und den frühen Cabaret Voltaire. Und es gab eine Band aus Ungarn, Die Rasenden Leichenbeschauer, mit der ich auch persönliche Kontakte hatte, die für mich wichtig war. Ich traf mich mit dem Regisseur Gábor Bódy, der beispielsweise „Nachtlied des Hundes“ gemacht hatte und in West-Berlin lebte. Er hatte auch unseren Auftritt mit der Tödlichen Doris in Budapest organisiert, der aber leider nicht stattfinden konnte. Diese Kontakte waren wichtig, denn sie haben Impulse gegeben, schamanische Musik zu erzeugen, also Volksmusik im wahrsten Sinne des Wortes.

Bei Klick & Aus haben wir bewußt mit Schlagzeug, Baß, Saxophon, Geige und Fanfare gearbeitet. Also nie die klassische Rhythmusfraktion. Die Mitstreiter waren Pjotr Schwert, Sala Seil, Evolinum und ToRo Klick. Darüber gibt es zwei Hypothesen: 1. Es war Zufall. Also welche Leute sich wie getroffen haben und was die konnten. 2. Es war Bestimmung. Daß sich eben genau die Leute versammelt haben, um etwas zu tun, was es im Osten so noch nie gegeben hat. Die Grundlage waren persönliche Freundschaften und wir hatten einen Proberaum, wodurch wir als Gruppe auch stabil geblieben sind. Durch unsere Fortschritte kamen wir von den kurzen knackigen Songs des Anfangs weg und stellten fest, daß es uns viel mehr Spaß macht, der Wut und Raserei freien Lauf zu lassen. Wir wollten Klangkulissen erschaffen, die Sala Seil bei den Auftritten auch noch in Verrenkung gebracht hat. Der Geist aus dem wir entsprangen, war allen klar; und wir wollten Interaktion.“

 


Klick & Aus, Wohnungskonzert 1984, rechts der großartige Fotokünstler Thomas Florschütz, Electric Galenza hinten, Mitte, mit Brille.

 

Kunstkritiker Christoph Tannert berichtet :
„1983/84 tauchte Klick & Aus erstmalig in Kellern und auf Dachböden auf. Im Sommer 1984 auch in der Zentrale des Demokratischen Konsum in Motzen b. Wünsdorf, danach im Studentenklub der Potsdamer Filmhochschule. Eine der zumeist desaströs endenden Klick & Aus-Lektionen wurde sogar im Pankower »Wilhelm-Pieck-Haus« des Verbandes Bildender Künstler gegeben. Roeslers under-cover-Strategien überwanden spielend alle politischen Hindernisse. Als der Ruf »Frauen und Kinder zuerst!« ertönte, stürzten begeisterte Funktionäre zwischen Becken und Große Trommel. Nie wieder hat es auf solchem Parkett diese Verbrüderungsszenen zwischen Freaks und den greisen Häuptern der kulturpolitischen Fettschicht gegeben. Tohm di Roes’ Schlachtsignal »scheiß dich nich an, man« erschallte auch im Rundfunk der DDR und kündigte ein Integrationsinteresse der Ost-Medien an der Subkultur an. Die Amalgamierung war das noch nicht. Tohm di Roes ließ sich nicht so einfach füllen und zuschmieren.“

 

Ich schrieb über den den Film von Tohm di Roes einst:

"Sehr wütend wirkt Thomas Röslers Streifen „7x7 Tatsachen aus dem hiesigen Leben des Dichters Thom di Roes“ (1983). Zu den Schrei-Attacken seiner Band Klick & Aus, wütet er zornig über den Stillstand und Frustrationen seines Lebens. Er bestraft sich und alle Schönheit, in dem er auf ein Stück Buttercremetorte uriniert, das er anschließend verschlingt." Der Filmkritiker Claus Löser beschreibt diesen Super8-Film so: "Rundumschlag gegen die selbstzufriedene Spießigkeit des ostdeutschen Alltags, unverholen agressiv unjd narzistisch, getragen vom Geiste des deutschen Expressionismus, des Wiener Aktionismus und der Poesie William S. Burroughs‘. Di Roes, dessen Punk-Band »Klick + Aus« die Musik zum Film einspielte, wurde später in den Westen abgeschoben."

 

 

Die beiden Kuratoren Paul Kaiser & Claudia Petzold bezeitzeugten in ihrem kundigen Katalog zur Ausstellung “Boheme und Diktatur in der DDR”: "Die gemeinsame Performance von Wolfram Adalbert Scheffler und Thomas Roesler ist weder typisch noch zufällig. Sie ist eher einem wahlverwandtschaftlichen Magnetismus geschuldet, der zwischen beiden Künstlern mitunter zu Konstellationen führt, in denen aus der gegenseitigen Akzeptanz spontane Aktionen erwachsen. Das eigene Werk tangieren die gemeinsamen Spaßrevolten allerdings kaum. Beide sind in den unangepaßten Milieus des Prenzlauer Bergs auffällige Erscheinungen mit ganz eigener Strahlkraft, die sich nicht in subkulturellen Positionskämpfen und Gruppenbildungen verschleissen lassen. Schon durch ihren Habitus wirken die Bohemiens als provokante Solitäre. Scheffler trägt Gehrock und zeigt ausgiebig das Arsenal edler Spazierstöcke vor. Roesler geht kaum ohne seine Försteruniform auf die Straße und schultert zum Schrecken friedensbewegter Szene-Frauen mitunter demonstrativ sogar ein Holzgewehr. Visitenkarten mit falschen Berufsangaben besitzen beide. Auf der von Wolfram Adalbert Scheffler prangt in raumgreifendem Sütterlin die Bezeichnung Landbriefträger. Auf den beiden Visitenkarten von Thomas Roesler, die er abwechselnd nach Laune und Bedürfnislage zückt, gibt er sich einmal als Gynäkologe, das andere mal als Virtuose aus."

Electric Galenza