Die Vision – My home is everywhere
Die Vison aus Ost-Berlin ist längst einer der beliebtesten Abräumer in der DDR. Sie hat unzählige Fans, die sie auf ihren Touren begleiten. Diese Vision hat eigentlich Punk-Roots. Ende 1984, damals als Koma-Kino gestartet, sorgten sie gleich für virulentes Aufsehen, von einer staatlichen Einstufungskommission wurde ihnen noch vorgeworfen, sie spielten „Anti-Musik“! Ein Jahr später benannten sie sich um und gingen in die musikalische Offensive. So überzeugten sie besonders vor Philip Boa vor fast 7.000 Leuten in der monumentalen Werner Seelenbinder-Halle. „Ich finde Musik, die Kids zusammen bringt toll. Uns ist es egal, ob einer eine Lederjacke oder einen Parka an hat“, erklärt Chef Geyer.
Foto: Stefan May
Nun liegt ihre 1. LP „Torture“ vor und stimmt einen etwas ratlos. Da schafft es endlich mal eine Combo, nicht nach DDR-Rock zu klingen, sondern international, bloß reicht das heutzutage eben nicht mehr ganz. Die Vision spielt Gitarren-Pop. Pop im positiven, stolzen Sinne. Den gibt es aber auch schon eine ganze Weile, ihre Platte klingt nach einer der diversen britischen Gitarrenbands. Geyer dazu: „Der ganze bisherige DDR-Bonus fällt ja nun weg und nur die besten werden vielleicht eine Chance haben. Aber dazu mußt du erst mal bekannt werden. Geh doch mal zu WOM, die Leute brauchen doch gar keine Musik mehr, sie sind doch satt.“
Uwe Geyer ist der Kopf der Band, er schreibt alle Texte, ist Gitarrist und Sänger. Und Geyer ist der Kumpel, der sympathische Mittelpunkt. Er lenkt das Bühnengeschehen, er knetet und formt die vibrierenden Melodien in das federnde Rhythmuspolster. Vielleicht ist ihre LP ein möglicher Soundtrack für’s Freibad. Aber Geyer ist nur ein Teil, denn die Band funktioniert nur als Einheit, ihre Songs schreiben die Jungs gemeinsam. Das aktuelle Line up: Sebastian Lange (g, voc), Jörg Müller (b, voc), Jan Wenschura (key, voc), Uli Lange (dr) und natürlich Geyer.
Aufgenommen wurde ihr Debüt im Ost-Berliner Amiga-Studio in der Brunnenstraße, gemischt wurde bei Vielklang. Mark Reeder aus Manchester, auch in Berlin gut bekannt, übernahm die Produktion und auch die eigenwillige Cover-Gestaltung. Geyer gründete seinen eigenen Musik-Verlag und mit Manager Alaska auch das neue Label „Vulture“. Da die zahlreichen Fans der Vision in der DDR leben, soll da eine größere Auflage nachgereicht werden.
Abb: Jürgen Labs
Inzwischen hat die Band auch die ersten Videos produziert, die bereits in „45 Fieber“ und „Mambo“ liefen. Ende des Sommers soll dann eine neue Single mit der griffigen Tanz-Nummer „My home is everywhere“ vorliegen. Seine neuen Songs würde Geyer dann ganz gerne etwas anders aufnehmen. Noch mal Geyer: „Wir würden schon sehr gerne mal im Londoner ‚Marquee’ spielen, aber genauso gerne spielen wir auch in Dresden im ‚Bärenzwinger’“.
R. Galenza tip – Berlin Stadtmagazin Heft 24/1990