Der Demokratische Konsum

 

Dies ist ein Auszug. Das gesamte Interview mit Wolfram „Wollo“ Ehrhardt vom DemoKonsum findet man im Buch  

„Spannung. Leistung. Widerstand.“ (Verbrecher Verlag, 2006)

 

Unser Outfit war natürlich ganz wichtig. Für das hatten wir auch überhaupt keine Vorbilder. Nicht wie in der Rock´n´Roll- Zeit, wo sie alle bestimmte Haarschnitte trugen oder bestimmte Lederjacke modern waren. Das gab es bei uns nicht. Wir wollten etwas Neues, wie ja jede Bewegung bestrebt ist, neue Sachen zu erfinden. Unser Outfit war ein Sammelsurium von Kostümen, die wir zum einen von unseren Reisen mitgebracht haben, aus Polen, Ungarn, der Sowjetunion. Von Flohmärkten. Das waren meist Militärklamotten. Ein Staubmantel oder Wintermantel von der Ungarischen Armee, den ich zum Beispiel lange getragen habe. Dann möchte ich darauf bestehen, daß wir als Gruppe die Erfinder der Russenmode waren. Wir holten russische Uniformteile von den russischen Kasernen im Austausch gegen irgendwelche alten Jeans. Dafür bekamen wir von irgendeiner Panzerbrigade diese begehrten Panzerjacken oder Armeehemden mit Stehkragen und Stern-Knöpfen. Damit war man auf einmal sehr auffällig. Denn so etwas hatte es noch nicht gegeben, daß Jugendliche, so konnte man uns ja damals noch bezeichnen, das öffentlich auf der Straße trugen. Da staunten natürlich einige. Wir hatten auch die entsprechenden Haarschnitte dazu. Man sagte: „Adolfs Platte“. Oben etwas platt und an den Seiten sehr kantig. Damals sah man ja auch noch etwas markanter aus als heute. Das war ein bißchen martialisch und wurde immer weiter verfeinert. Ich war in der Mongolei und brachte mir einen mongolischen Umhang mit, den ich auch einmal bei einem Auftritt getragen habe. Die Mongolen hatten zu dem Zeitpunkt ein völlig bizarres Outfit. Die trugen diese landestypischen Umhänge, ganz merkwürdige Hüte und Sonnenbrillen. Jeder von uns gestaltete sich also ein bißchen anders.


Beliebt waren zum Beispiel Arbeitshemden, aber nicht die sogenannten Fleischerhemden
. Da gab es ganz verrückte Muster, so Paisley-artig und Sachen, die man gar nicht beschreiben kann. Dazu Militärstiefel. Zum anderen arbeiteten wir teilweise auch in Opern oder Theaterhäusern, wo wir uns ganz einfach eine Menge Klamotten mitgenommen und draußen angezogen haben. Ich war damals Bühnenarbeiter und da mußte man so eine bestimmte schwarze Kleidung tragen, damit man vom Publikum nicht gesehen wurde, wenn man Bühnenumbauten machte und der Vorhang offen war. Diese schwarzen Klamotten waren extrem begehrt. Hose und Jacke voneinander getrennt, mit solchen Kastentaschen- das sah verdammt cool aus.


 


Meine Novelle „Sturm im Gepäck“ über den Demokratischen Konsum erscheint demnächst

in der Buch-Anthologie „PUNK-Storries“.

Electric Galenza 2010