Müller-Beat – Der Lauch-Hammer!

 

Da steh ich nun, die Kehle rauh und trocken, wie zugeschnürt. Um mich ist es kalt, grau, staubig und schmierig. Die Straßen mit den banalen Häusern, der Nieselregen und der Kohlenstaub drücken die Stimmung. Scheint, als gebe es nichts, was mich aufmuntern könnte. Die Kneipe, gut besucht, lockt mich nicht. Aber viele sind es, die hier ihre freien Stunden absitzen. Durch das Schnapsglas gesehen, wird das Grau langsam bunt, wenn auch nicht so richtig. Und die, die immer hier sitzen, wissen, daß sie morgen wieder durch die immergleichen, tristen Straßen zur Arbeit trotten, radeln oder pappen. Aber jetzt ist früher Abend und man klettert noch die Stimmungsleiter nach oben.


Nicht so wie, dachten sich Michael Beier (voc), Maik Müller (dr), Tino Sieber (git), Detlef Schramm (b) und Thomas Schöps (sax) und griffen schon früh zu den Instrumenten. EY! – Hier kommt MÜLLER-Beat! Aus Lauchhammer, tönte es 1987. Sie hörten Radio, viel Radio und spielten eine Menge Titel nach. Aber ihre Mischung erscheint doch dubios: Maffay, 999, Sex Pistols, Police und Lindenberg! Die ersten intensiven Proben liefen in einer angemieteten Garage, selbst bei minus zehn Grad im Winter mit einer die Finger warmhaltenden Salbe. Schon vor ihrem ersten Auftritt waren sie stadtbekannt, und ihr erstes Konzert in einem großen Saal war ausverkauft. Kultstatus.

Ein Name war auch hurtig gefunden; er sollte nicht spektakulär klingen, sondern sehr normal und gewöhnlich – eine Idee, die den Smiths schon mal sehr viel Sympathie einbrachte. Nach und nach verschwanden die Cover-Versionen, nur Police und The Smiths blieben. Die fünf eint sowieso der Hang zu allem was nach Gitarre klingt, auch eher ruhige und melodiöse Sachen, auch wenn sie sonst sehr verschiedene Typen sind.

Sie erregten unser Augenmerk bei ihrem ersten Berlin-Auftritt. Denn während die übergroße Masse der jüngeren Gruppen sich um Härte, Druck und Power bemühen, gingen Müller-Beat bewußt in eine andere Richtung. Michael Beier: „Wir wollten von Anfang an auf einprägsame Melodien setzen, waren aber natürlich unsicher, ob das überhaupt ankommt. Wir glauben aber nicht, daß das Frustrauslassen die günstigste Variante ist, die Leute auf den Weg zu bringen.“ Das Weitere war sehr normal. Erste Gigs in der Umgebung, dann im Vorprogramm von Sandow in Cottbus, wo Müller-Beat gleich ein furioser Auswärtssieg gelang. Das machte Mut. Es folgten die Hochburgen Lugau, wo sie von den vielen kundigen Fans zur besten DDR-Band 1988 gekürt wurden, dann Berlin. „Wenn wir nach Berlin fahren um da zu spielen, habe ich schon etwas mehr Herzklopfen, als wenn wir woanders auftreten. Es ist schon schwieriger hier, übersättigter“, gesteht Tino. Bei ihrem zweiten Hauptstadt-Einsatz spielten sie hinter den Waltons, einer sehr lauten und deftigen Country-Punk-Formation, die mühelos viele Tänzer auf die Beine brachte. Die Stimmung war sehr euphorisch und Müller-Beat drohten danach mit ihrem Konzept in ein sehr dunkles, tiefes Loch zu fallen. Aber Wunder und Staunen – es funktionierte! Ihr Musik wurde angenommen und alsbald erhitzten sich wieder diverse Schuhe.


So entschlossen sie sich nach zwei mißratenen Demo-Aufnahmen in einem überteuerten Country-Studio, nun mal gleich zehn neue Stücke technisch versierter in Finsterwalde aufzunehmen. Dabei wollen sie mehr variieren. Eine Trompete kommt dazu und soll Frische bringen, und sie haben große Lust auf Reggae. Die Songs sollen rhythmischer, dynamischer werden, dabei aber harmonisch bleiben, denn die Leute sollen einfach Freude an ihere Musik haben, sich bewegen können. Sie spielen im besten Sinne Gitarren-Pop wie wir ihn mögen. Wäre schön, so etwas auch mal auf Platte anhören zu können.

Mülller-Beat sind alle lupenreine Amateure, haben zehrende Ganztagsjobs; die Konzentration auf die Musik danach fällt oft schwer. Und dann kommt noch die Armee und nimmt sich den Bassisten. Die Folge: sie müssen mit kurzfristig angelernten Aushilfen (z.B. Kai-Uwe Kohlschmidt) spielen. Da ist kein produktives Arbeiten möglich, das hemmt eher. Aber diese ihre Musik hat ihnen viel Spaß gebracht, die Lust und die Anerkennung sind ihr Motor. Aber in Lauchhammer gilt es nicht sehr viel, in einer Band zu spielen, obwohl sie da die einzige sind. In Lauchhammer weht ein anderer Wind! „Es ist sehr schmutzig, aber die meisten Leute spülen es einfach runter. Wenn man in diesem Dreck groß geworden ist, merkt man ihn irgendwann nicht mehr, höchstens wenn man aus dem Urlaub wiederkommt. Man lebt so sein Leben, irgendwie erträgt man es“, resümiert Maik. Trotzdem werden sie dableiben. Es ist ja eminent wichtig, daß auch in den kleineren Städten neue Dinger heranwachsen, ob es nun Lauchhammer ist, in Salzwedel, Meißen oder Rathenow. Und Müller-Beat freuen sich eben immer noch über jedes gelungene Konzert. Alles sehr normal, überschaulich, ganz unspektakulär und sympathisch. Müller-Beat eben. Der Lauch-Hammer!

R. Galenza     Dezember 1989   Journal für Unterhaltungskunst  12/89          S. 4/5