Freunde Der Italienischen Oper - FDIO

 

Die Guten. Sachsen. Aus Dresden-Neustadt. Wo es mal rockte. Dereinst.

Und alles moderte, verrottete. So wir das schön fanden. Ja, und dann gerieten viele Dinge ganz durch einander. Ich hab die Jungs, die ich dereinst sehr mochte verloren. Im Mittelalter, einer sehr lichtlosen Zeit, dichtete ich für ein untergegangenes Berliner Stadtmagazin über sie:


„Der Beat aus Sachsen! Allerdings nicht der Semper-Oper verpflichtet, sondern eher der wilden Dresdner Neustadt. Trotzdem benutzen die Opern-Freunde bei ihren Live-Auftritten schon mal Klassik-Einspielungen wie Puccini's "Madame Butterfly". Dazu zeigt die Band selbstgedrehte, schwarz-weiß verhuschte Acht-Millimeter-Filme aus dem Grauen der Welt: Bürgerkriegsopfer aus Tiblissi, gesprengte Häuser in Dresden, Verwundete, Tote. Auf ihrer Debüt-Platte, die nochmal alle konzert-gestählten Stücke gültig zusammen faßt, dominiert wuchtiger, packender, donnernder Rock, meist ziemlich düster eingefärbt. Man nannte das einst Dark-Wave. Aber die vier wollen musikalisch mehr; geschickt wechseln sie die Tempi. Da krakeelt mal eine Posaune durch die Stücke, wippt ein Piano, hechelt eine Tuba. Doch dann reiten wieder finstre Gestalten durchs Terrain, Düstermänner überbringen unfrohe Nachrichten. Gepreßter Gesang weiß von okkulten Obsessionen. In "Sentimental sea" steigern sich die Dresdner schließlich in einen furiosen und fulminanten Singsang, der alles mit sich reißt. Absolut eigenwillig und überzeugend.“ (Sept./ 1991)

Inzwischen aber wieder gefunden. Erst sieht man sich Jahrhunderte nicht und dann plötzlich ständig.Roger hatte in der Zwischenzeit ordentlich trainiert. Er war nun eine Ikone der harten Schwulen-Szene, trat im "Berghain" auf und der "Spiegel" feierte ihn. Der legendäre Alfred Hilsberg hatte ihn gesignt. Alle kannten ihn nun als Rummelsnuff. Roger war derweil in meine alte Arbeitsstelle umgezogen. Er residiert nun im einstigen Rundfunkgelände aller DDR-Radios in der Nalepastraße. Von hier aus hatten wir die hottesten Scheiben nationwide von Ahlbeck bis Zittau an die hungrigen Ohren da draußen abgefeuert. Nur zur Erinnerung: die Sachsen sind schon immer alle nach Berlin gezogen, damals aber noch in die kahlen Neubau-Platten am Rande der Stadt.



Ich schrieb grad an einem langen Aufsatz über die Bolschewistische Kurkapelle. Zu deren hundertjährigem Bestehen hatte ich diese Jungs in der Kulturbrauerei als DJ mit Feuerwasser  und Protestschlagern atem- und sprachlos gemacht. Ich wurde ins Allerheilligste eingeführt: Wodka schlürfen aus den haarigen Bauchnabeln einiger Bläser. Igitt! Ooch nö!! Rummelsnuff stand immer irgendwie mit dabei. Denn Roger hatten sie angeheuert für die Aufführung ihres Oratoriums "Gefühlssache"

samt Berliner Chören, Orchestern und der Bolschewistischen Kurkapelle Schwarz-Rot. Er schmetterte in der Berliner Volksbühne eine schmachtende "Natalie". Kernig! Gleich darauf trafen wir uns noch an diversen Tresen an der Oder-Neiße-Friedensgrenze, wo er mit den Bolschewisten die trostlosen Seelen Brandenburgs rettete. Eines Nachts im "Seeblick" und irgendwo da, wo ich wegen zuuvlie Getränke vergessen hab. Da war es schon Nacht und echt dunkel.

Band-Salat:

1987 haben sie die Freunde gefunden, iniziiert vom Schlagzeuger Tom Gross und dem Posaunisten Rainer A. Schmidt. Damals noch unter dem Namen Kot Mpi. Am 7. Oktober 1988, dem Tag der Republik, ließ Klubleiter Mario Looke (R.I.P), seinerzeit Manager von Sandow, die Band, zu diesem Zeitpunkt noch illegal (da ohne Spielerlaubnis), erstmals als Freunde der Italienischen Oper im Klub Südstadt (Cottbus) auftreten. Schon kurz darauf wurde Regisseur Wolfgang Engel auf sie aufmerksam und engagierte sie für seine Faust-Inszenierung am Staatsschauspiel Dresden mit Sänger R.J.K.K. Hänsch (alias Ray van Zeschau) als Euphorion.

1989 verließen Tom Gross und der Posaunist Rainer A. Schmidt ihre kleine sozialistische Heimat-Republik. R.J.K.K.Hänsch, Gitarrist Jänz Dittschlag sowie der Graphiker und Pressesprecher Dr. H.G. nahmen das Schicksal der Band in ihre Hände - nun mit Schlagzeuger Ralph Qno Kunze, dem Bassisten Heiko Schramm und dem Keyboarder, Fagottisten und Sänger Roger Baptist an ihrer Seite. Anfang 1990 wurde ihre erste LP bei Oljeg Marosov aufgenommen. Einen Tag nach Einspielung der Aufnahmen verschwanden nach einem Einbruch die Bänder samt Studiotechnik und tauchten nie wieder auf. So die legendäre Legende...



Im Frühjahr 91 gelangte Posaunist Rainer A. Schmidt wieder zur Gruppe. Am 25. März 1991 gelang  der Band in Dresden etwas Besonderes. FDIO brachten im Großen Haus des Staatsschauspiel Dresdens eine eigene, einmalig aufgeführte Revue zur Aufführung - was als ein für diese Zeit und für die Geschichte des größten Schauspielhauses der DDR mutiges und gewagtes Experiment gewertet werden muß. 1200 Personen tanzten besoffen ins Glück. Das kommt nie wieder.

Beim folgenden Italien-Aufenthalt der FDIO entstanden die Stücke für die zweite LP "Um Thron und Liebe", die anschließend in einem Kellerstudio in Essen innerhalb von drei Tagen eingespielt wurde. Im Winter 1991 erschien ihr erstes Vinyl in limitierter Auflage von 2500 Stück. Gleichzeitig begann die gleichnamige Tour. Am 23. Dezember 1992 gaben FDIO in Montegalda ihr vorerst letztes Konzert.

Erst 12 Jahre später, am 17. April 2004 trafen sich fast alle noch einmal zu einem Konzert im Dresdner Ballsaal Gare de la Lune anlässlich des 40. Geburtstages von R.J.K.K. Hänsch. Den verhinderten Bassisten Heiko Schramm ersetzte Rajko Gohlke (ehem. Tishvaisings, Think About Mutation). Im November 2005 brachte Opernstar René Pape die Band noch einmal komplett zusammen. Für die ARTE-Dokumentation "Der Bass René Pape - Mein Herz brennt" von Regisseurin Sibylle Muth hatte er sich seinen Wunsch erfüllt, einmal gemeinsam mit den Freunden der italienischen Oper zu musizieren. Gemeinsam mit Ray van Zeschau sang er den FDIO-Titel "You Had A Dream" aus dem Jahr 1990.

 

Fünf Jahre nach ihrem letzten Auftritt spielten Die Opern-Freunde am 17. November 2009 im Saal des Centraltheater Leipzig. Da ein Auftritt in der letzten Besetzung von 1992 nicht mehr möglich war, holte Sänger R.J.K.K.Hänsch eine fast neue Besetzung ins Boot. Abermals mit Rajko Gohlke am Bass, Tex Morton und Alex Anthony Faide an den Gitarren sowie Boris Israel Fernandez am Schlagzeug. Als Gast trat FDIOs ehemaliger Keyboarder, Fagottist und zweite Stimme Roger Baptist als alter ego Rummelsnuff auf. Da saßen sie also wieder an einem öden Tisch und wir behalloten uns und klopften auf Holz. Wir wußten, wer wir waren und alles war gut. Pivo gabs auch. Ich hab danach noch eine andere Geschichte vorgelesen.

Electric Galenza

Besetzung: 1987-92

R.J.K.K. Haensch (aka Ray van Zeschau) (the voice)

Jänz "Blitz" Dittschlag (git.)

Heiko Schramm (bg.)

Roger Baptist (key., bassoon, 2st. voc.) (1989-92)

Tom Gross (dr., 2st. voice) (1987-89)

Ralph Qno Kunze (dr.) (1989-92)

Rainer A. Schmidt (tb. voc.) (1987-89/1991-92)