IRON HENNING - Der tip TIP
Plötzlich umstellen dich vier kleine Menschen. Ihr Anführer ist der Eiserne Henning, ein spindeldürres, drahtiges Männchen mit kühner Mähne, dunklem Anzug und b-mäßigem Schuhwerk. Seine Gefolgschaft setzt ebenfalls auf skuriles Outfit: Unbarmherzig reizen sie auf der Bühne mit lausigen Filzperücken, quietschgrün-samtenen Weiber-Hosenanzügen, braunen Trainingsanzügen, schmierigen ZDF-Käppies und bieder-gelben Männer-Unterhemden die vom modischen Einheitsbrei eingelullten Sehnerven. Parallel dazu schockt ihr Sound mit einem gewaltigen WUMM! voll mit hämischen Grinsen. Doch keine Angst - Iron Henning ist weder eine Happy-Metall-Mörtel-Misch-Maschine, noch ein Amateur-Fußballverein aus Henningsdorf.
Iron Henning sind vier heitere Jungs, keiner größer als ein Meter siebzig, alle mit dem Sternzeichen Zwilling (beides Grundvorausetzungen für die Aufnahme in die Band), die ihre eigene Auffassung von Rock-Musik zelebrieren.
Henning (voc), Meister D. (B), Mister Fox (g) und Pit Findig (dr) fingen schon vierzehnjährig unter dem Namen Hinterhof-Action in Berlin-Johannisthal an, dokterten mit Bandschnipseln von AC/DC und Motörhead herum, auf die sie ihre eigenen Texte sangen. Damals spielten sie mit den Tennisschlägern vorm Spiegel und entdeckten ihren Sinn fürs Posen. Danach folgte ein kurzer Punktrip und sie nannten sich The Motion. Doch damit nicht genug: Henning und Meister D. warfen sich alsbald den Trauer-Kaftan um und sammelten Erfahrungen in einer Gruft-Kapelle. Aber auch dieses fade Spiel langweilte schnell und verlangte ein neues Experiment. So wurde Iron Henning geschmiedet.
Ohne viel Zaudern erspielten sie sich rasch ein live-gestähltes Ansehen. Denn die Auftritte der vier Eisenjungs sind, geprägt durch ihren schwarzen Humor, unnachahmlich witzig. Wild wirbeln da Arme durch die Luft, erstarrt die pure Lebensfreude plötzlich in der krampfigen Körpgerhaltung eines despressiven Melancholikers. Und wie bereits erwähnt, setzen die schrillen Kostümierungen da noch eins drauf. So mimt der Pauker manchmal einen Breitmaulfrosch oder schockt als Elton John und Meister D., das Unikum der Band, gibt sich gern als Rod-Stewart-Klon oder junger Schrankenwärter. Zum Schreien!
Dabei geht es ihnen überhaupt nicht um sinnloses Blödeln, sondern um das Aufbrechen und Ironisieren von tradierten, verbrauchten Rock-Codes. Dazu böllert ihr wuchtiger, klirrender Sound, irgendwo zwischen Rock und Trash, mit dem sie im letzten Jahr zu den Siegern des Berliner Senats-Rocks avancierten. Mit dem dort eingefahrenen Geld haben sie ihre erste 4-Track-EP finanziert, die sinnigerweise als Eisenscheibe veröffentlicht wurde. Auf ihr findet man das gesamte Spektrum: Brüll-Core, Wave und Rumpel-Rock und natürlich ihren Super-Hit, den “Kleinen Trompeter”. Live gedenken sie übrigens auch der weinerlichen Art einstiger DDR-Rocker mit ihrem “Mugger-Schicksal”. Topfrisch und völlig unaufgesetzt. Da wird sogar Henning, privat eher still bis schüchtern, zum entfesselten Wotan. Gnadenlos gut!