HERR BLUM - Der tip TIP

 

 

Herr Blum ist kein Herr und heißt auch nicht Blum. Herr Blum sind Thomas und Jürgen Wagner und gleichzeitig ein Phänomen: Vater und Sohn agieren gemeinsam in einer Band. Der eine spielt mit Musik, der andere mit Farbe. Denn Herr Blum ist keine Band im herkömmlichen Sinne, sondern eher ein Art-Musik-Projekt, eine heftige Performance aus vielfältigen Sound’n’Malerei.

Für Sohn Thomas erscheint das alles ganz logisch: “Meine Eltern sind alte Hippies, dadurch bin ich mit Musik aufgewachsen”. Draußen in Hönow, einem Dorf am östlichen Stadtrand von Berlin, fing der Steppke früh an, auf einer Gitarre zu trommeln, bald baute er sich aus Gurkenfässern und Büchsen das erste Schlagzeug und kaufte sich von einem alten Opa noch verwitterte Pauken dazu. Er hatte einfach den Rhythmus oder besser, der Beat ließ ihn einfach nicht mehr los.


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Was folgte war klar: eine Schülerband. Da die anderen aber nicht so recht spielen konnten, mußte Thomas alles erklären und zeigen, was ihn bald nervte. Also fing er an, zu Hause mit dem monströsen Tonband seiner Eltern obskure Ton-Collagen zu fabrizieren. Er bekam alle Kinderkrankheiten: Blues, Punk und die Neue Deutsche Welle. An der interessierten ihn speziell die deutschen Texte. Zwei Jahre Musikschule, Fach klassische Gitarre, schlossen sich an.

Anläßlich einer Vernissage mit den Bildern seines Vaters, trat Herr Blum erstmals öffentlich auf. Aus der Heim-Experimentiererei wurde schnell mehr: Es entstanden Stücke voller bizarrer Eigenwilligkeit, durchsetzt von Geräuschfetzen und Radiotönen. Die deutschen Texte von Thomas wurden griffiger und genauer: “Beim Schreiben gehe ich zuerst von mir aus, aber es ist natürlich immer eine Reaktion auf das, was um mich herum passiert. Insofern sind die Texte letztendlich sogar politisch”. “Kopf gestanden, Blut gespürt, abgerollt, enttäuscht gewesen...”.

Auf der Bühne arbeitet Thomas mit vorproduzierten tapes, die er zuvor zwischen Rhythmus-Computer, Effektgeräten und Mischpult kreiert. Dazu spielt er live eine hektisch-nervöse Gitarre und malträtiert sein metallisches Schlagzeug aus Schrott und Mülltonnen. “Was soll ich selbst Trommeln spielen, das kann das Rhythmus-Gerät viel interessanter”, ergänzt er. Vater Jürgen steigert sich dazu vor einer riesigen Malfläche in einen fulminanten Rausch aus Malwut, Tanz und Farbattacken! Zwischen beiden ist blindes Verstehen oder zumindest Erahnen des anderen zu spüren. Blum-Konzerte sind visuelle und akustische Angriffe auf den Betrachter. Sie halten nichts von akademischem Abstand, sondern lieben Provokation und Ekstase.

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Das begeisterte auch die Franzosen und Schweizer, als die Blums drei Wochen lang durch die großen Städte dieser Länder tourten. Mittlerweile vom Stadtrand nach Friedrichshain umgezogen, scheint Thomas nun auch vom Groove gepackt zu sein, will er doch jetzt tanzbare Musik machen. Fasziniert von den Geräuschen und magischen Bildern der Wagners war auch die Jury des größten bundesweiten Rock-Wettbewerbs, die dem Duo einen Hauptpreis zuerkannte!

R. Galenza    Juni/ 1991           TIP-Stadtmagazin Berlin          6/91    S. 188