Die Art - Der tip TIP

Als die Art noch unartig war, hieß sie noch Die Zucht, und eine staatliche Kommission wurde bestellt, auf Umbenennung zu drängen. Das war im Mai '85 in Leipzig. Die Art avancierte mit bedrückenden Dark-Wave-Klängen dann schnell zu landesweiten Kult-Depros. Denn ihre Musik ist beklemmend und wenig optimistisch. Die Texte wissen von Angst, Zweifeln, Hoffnungslosigkeit und gar Todessehnsüchten. Und damit gab es in der verblichen DDR zwangsläufig Probleme. Die Art lebt heute zweigeteilt in Berlin und Leipzig, das immer noch als musikalische Provinz gilt. Sänger und Textschreiber Makarius Oley und der fintenreiche Gitarrero Thomas Gumprecht hocken weiter im Süden, während Bassist Christoph Heinemann, der auch die meisten Songs aus seinen dicken Saiten windet, und Trommler Scholle Scholz mitten im Prenzlauer Berg sitzen. Das gibt zwar Streß mit den Proben, aber es funktioniert, wie auch der eben erschienene Longplayer der Art "Fear" zeigt.

art-fear.jpgEs gab viele Häßlichkeiten mit dem alten Amiga-Label; die weigerten sich doch noch im November '89, eine EP mit dem Titel "Wide, wide world" zu pressen, weil das den verknöcherten Rock-Beamten denn doch zu kess war. Nun ist bei "Zong", der Nachrücker-Firma von Amiga, die Debüt-LP gleich in einer Startauflage von 6.000 Stück erschienen, und die verkauft sich ganz gut. "Fear" faßt die Hits ihrer vier zuvor selbstproduzierten Kassetten gültig und bleibend zusammen.
Und die Welt ist für Die Art nun auch erheblich weiter geworden, waren sie doch inzwischen in Paris und in der Roten Fabrik in Zürich aktiv und tourten durch Jugoslawien, Ungarn und die CSFR. Allerdings wollten sie zuerst einmal das gierige Interesse ihrer hiesigen Fans stillen und das in prasselvollen Clubs, was auch ihr Auftritt zum Senats-Rockwettbewerb wieder eindrucksvoll bestätigte. Über das neue Umfeld meint Christoph Heinemann: "Ich finde es richtig, das diese Konkurrenz jetzt da ist. In der DDR gab es doch auch viele Bands, wo echt nichts dahinter stand. Der Fakt, das man überhaupt etwas gemacht hat, war ja schon ausreichend für die Leute, das zu akzeptieren und zu honorieren. Was allerdings gut war, wird sich auch durchsetzen. Für mich ist es eine absolute Bestätigung, wenn die Leute weiterhin zu unseren Konzerten kommen. Ich empfinde diese neue Konkurrenz also als völlig normal, damit muß man halt fertig werden."
Und da hat Die Art nicht die schlechtesten Karten, denn ihre neuen Songs sind weiter und differenzierter geworden, sie bewegen sich zwischen knüppelhartem Rock und beruhigt-melancholischen Stücken. Dazu passend haben sie ihr erstes Video in der verseuchten Kraterlandschaft um den Chemiegiganten Leuna auf genommen. Nicht sehr artig.

R. Galenza Dezember 1990 tip-Stadtmagazin Berlin 26/90 S. 188