WESTBAM – Right On
(Album Präsentation – Berlin am Wasser; 22.08.2002)
Ein heißer Sommertag in der Stadt. Die Gotzkowsky-Brücke liegt wie ein steinerner Bastard zwischen all ihren Schönheiten. Eine doppelzüngige Kirche, ein gemauertes Tor, der Fluß, ein Sonnenuntergang. Gegenüber vom Low Spirit-Headquarter am entspannten Wikingerufer paffe ich staunend in den nun schon dunklen Abend. Der Anzug vom Einlaß klagt absolutes Handy-Verbot ein. Zwischen dunkelrotem Backstein betritt man plötzlich den Strand. Am Ufer eine herrliche Sandfläche voller relaxter Liegestühle. Everywhere Alkholausschank von hübschen, gemieteten Mädchen und ein fulminantes Buffet voller Erdbeer-Eierkuchen und Vegetables. Hier is gut chillen, Keule. A lot of the üblichen Verdächtigen, Paul van Dyk war am Beach und diverse andere Techno-Organizer.
Im “Right On”-Liegestuhl mit William Roetger die alten Geschichten und Deals besprochen. Wir mußten feststellen, daß wir analog aufgewachsen sind, die nach uns schon voll digital. Die ausgebuffte Posse hatte sich Mühe gegeben, der alte, blinde Backstein wurde kunstvoll mit den Insignien des Hauses angestrahlt, selbst vom gegenüberliegenden Ufer leuchtet eine große, selbstbewußte WESTBAM-Inschrift. Das hatte Glam und etwas von den Londoner Docklands. Mit allerhand unwichtigem Geschwätz groovte man sich ein.
Kurzes Gespräch mit Westbam in den beiden weiten inneren Hallen über einen Text zu einem Buch. Maximilian war anfangs überrascht, dann aber interessiert und bereit. Wenig später baten die Macher, in den ca. 50 Liegestühlen Platz zu fassen und verteilten massig Massiv-Kopfhörer. Der Pulk kam nieder. Westbam kauerte sich links vom Turntable-Point in den Sand, linkerhand hielt Rainald Goetz neben der Flak die Stellung. Und dann wurde es schön, wir waren auf einmal die „Backstage Kings“.
Westbam legte seine neue Scheibe ein und rings ward Stille! Nahm man die Kopfhörer ab, vernahm man keinen Mucks, nur der Mond hievte sich hinter einem Moabiter Mietshaus in die laue Nacht. „Air Max“ zappte durch seine neuen Tracks und erklärte das woher und warum. Der „World Rebellion Plan“ passiert nur im Kopf von jedem, warum er von einem Satz am Pool von Rainald Goetz so begeistert war, wo seine Frau singt oder Eißfeldt knödelt und wie sich die beiden Westfahlen Herr Lenz & Frau Kerner aka Nena in der „Old School“ trafen. Das hatte Charme und Ironie. Ionisierende Schwaden zogen über den Beach, die Leute hingen beseelt ab und lauschten „Roots. Rock. Riot“. Manche zuckten, andere träumten im „4th Floor“. Außerhalb dieses Kosmos nur die Nacht, das Licht und Berlin. In diesem einmaligen Moment waren wir alle ganz gelassen an der „Inner City Front“. Großartige Idee voller Gelassenheit.
Hinterher konnte man weiter labern oder die Low Spirit-Studios upstairs besichtigen. Pulte, Mixer und ein Red Hot Chili Peppers-Video im TV. Klaus Jankuhn wußte über alles Bescheid, hier wohnt also der „Psycholectro“. Der lauwarme Sekt half nicht mehr weiter, also inhalierten wir Wodka und fütterten die ruhelosen Enten. Alles war gut. Wie vor Jahren die Low Spirit-Dampfer-Tour von Berlin-Mitte nach Köpenick. Im nachtblinden Fluß schmissen sie mit Alkohol und Lichtinstallationen auf die Häuser am Ufer nur so um sich. In einer alten Brauerei im Berliner Süden flog dann die ausgelassene Kuh, und alle Menschen hatten gute Laune und weite Augen. Diesen Abend stelle sich auch nur irgendwann die ausgeruhte Frage „Bleiben oder Abfahren“. Die Nacht gerann uferlos. Die Disco im Kopf oder: die andere Seite von Berlin.
Ronald Galenza 29.08.2002