Pothead - Rauchzeichen

(Hohenlobbese; Open-Air - 28. Juni 2003)

Oh je! Eine Zeitreise zurück in die Siebziger. Hohenlobbese, ein schmales Dorf im Hohen Fläming und oft Gastgeber für gute und krude Bands. Eine Rock-Insel in der Mitte von nirgendwo. Man zeltet idyllisch auf einem abgemähten Acker am Waldesrand. Tagsüber gibt es Sonne, Freizeitfußball und zuviel Bier. Hier wird massiv vorgeglüht.



Pothead traten gegen 22 Uhr auf die Bühne, die unter einem langen Schleppdach steht. Sonst ruhen hier Trecker, Eggen und Heuballen. Jetzt erhellen Bierstände, Grill, ein Feuer und Devotionalien-Stände die tintige Brandenburger Nacht. Die Band lärmt gedrosselt los, ein Abend irritierend wie faszinierend legt los. 500 aus der Zeit Gefallene sind bereit. Man könnte auch sagen, eine Sippe Stehengebliebener oder standhaft Selbstbewußter floh hier im Rotten-Tanz dem Alltag. Tausend Bärte: lang, kurz, geflochten, vergilbt, voll, aufgegeben, als Schnauzer oder Brikett. Jeans-Uniformen bis zum Horizont. Als Allwetterkleidung und Statussack. Lange Haare dreimal ums Dorf. Schwere Männer und unhübsche Frauen. Leder-Männer, hübsche Mädchen, Batikhemden, ein paar Glatzen, versprengte Hippies und Kraftsportler als gepreßte Wurst. Marodierende dicke Eier.
Ach ja, die Jugend war auch da. Noch ungeboren in dicken Bäuchen bis zum Kinderwagen. Und es rockte wirklich laut. Acht- und Zehnjährige zeigten der Band vom Bühnenrand die Fäustchen. Zehnjährige Mädchen liefen Show, die kleineren hielten sich die Ohren zu. Die Kinder-Jungs taten härter als ihre Alten, die 13 bis 15jährigen Girlies waren längst auf der Balz, nach dem nächsten Freibier und Freier.
Von vorn wehte der eisige Wind der eisern und stumpf rockenden Pothead. Die drei prügelten ihren entschlossen wirkenden Doom-Rock, eine Mischung aus Soundgarden, Pearl Jam und Pantera. Schon knackig, vor der Bühne krakeelte sich das Publikum in immer neue Euphorie. Unterm Landwirtschaftsdach blinkte es jetzt rot und blau und weiß. Weiter hinten dunkelten schwarze Wolken über'm Wald, es klang, als nahe von dort die unerbittliche Front. Vor der Rampe wurde mitgelitten und entfesselt mitgekämpft. Probealarm. Ein Wogen & Pogen. Ein Rempeln, Fallen und Schubsen. Und der beliebte Irrglaube, daß harte Rockmusik einen selber härter mache; oder zumindest erscheinen lasse. So viele unsichere Poser.


Pothead klangen im Hauptteil eher kontrolliert bis konstruiert. Ein schnelleres Stück, ein zahmeres. Das Laute und Bewegende wickelten sie erst mit den Zugaben aus. Jetzt wurde wirklich böse und derb gerockt. Schade, jetzt hätte man schon gern wieder lange Haare gehabt... Pothead kamen immer wieder zurück und wummerten ihr eigenes Tütchen. Das Publikum raste zwischen Plastebechern und Staub bierselig, aggressiv und glücklich mit. Man konnte die Begeisterung überschwappen sehen oder den Leuten beim spürbaren Verfall zusehen. Aber die Sterne haben nicht gewackelt, nur der Raps war erschüttert.

R. Galenza Juni 2003