Einstürzende Neubauten in der VEB Elektrokohle - 1989

 

Die legendäre Westberliner Kultband Einstürzende Neubauten trat im Dezember 1989 erstmalig live in der DDR auf. Jahrelang wurde ihr das trotz intensiver Bemühungen verwehrt. Die beiden Konzerte fanden im Kultursaal des VEB Berliner Elektrokohle Lichtenberg statt. Da der Andrang eingeschworener Fans aus der ganzen Republik riesig war, spielten die Neubauten gleich zwei Konzerte hintereinander! Es war schon beeindruckend, mit welcher Intensität und Energie die fünf Musiker auf der schweißnassen Bühne agierten, ja arbeiteten, denn die Band benutzt ein ungewöhnliches Instrumentarium. Normal erscheinen noch Gitarre (Alex Hacke) und Baß (Marc Chung). Aber gar nicht mehr gewöhnlich sind das Stahlschlagzeug, diverse Metallteile, Bleche, Drähte und anderes Schlagwerk, ein Einkaufswagen, Eisenketten, Bohrmaschine, Schneidbrenner, Tonnen und Eisenstangen von F.M. Einheit und N.U. Unruh. Vor allen zelebriert, lenkt und treibt Blixa Bargeld, Sänger und Kopf der Gruppe, das lärmende Geschehen. Er schreibt die bestechenden, einmaligen Texte voller Wucht und Prägnanz, mit denen er zweifellos zu den eindrucksvollsten deutschen Textern gehört.




Die Neubauten wurden ob ihres außergewöhnlichen Konzepts oft als Chaos-Kapelle oder Lärm-Ensemble bezeichnet. Nichts da! Natürlich war es laut, wild, heftig, schrill und intensiv! Die Luft vibrierte. Gerade aber ihre Kontrolliertheit bestach, dieses organisierte Wüten bei aller scheinbaren Wildheit. Ein Klasse-Konzert!




Die Einstürzenden Neubauten gründeten sich 1980 im Zuge der Punk-Bewegung in Westberlin und zählten anfangs zu den sogenannten „Genialen Dilettanten“. Sie konnten kaum ein Instrument spielen, arbeiteten mit Preßlufthämmern, Ölfässern, Töpfen, Motorsägen und einer Waschmaschine! Alle negativen Lebensgeräusche wollten sie vereinen, ganz gemäß ihrem Konzept „zerstören, um aufzubauen“. Mittlerweile gibt es die Band zehn Jahre. Sie haben sechs eigenwillige LP’s veröffentlicht, wirkten am Hamburger Schauspielhaus beim Stück „Andi“ in der Regie von Peter Zadek mit. Blixa Bargeld plant am Deutschen Theater in Berlin, den Hamlet in Heiner Müller’s „Hamlet-Maschine“ zu spielen. Der Text von „Feurio“ von ihrer aktuellen Platte „Haus der Lüge“, beschreibt die Einstürzenden Neubauten wohl sehr treffend: „Mittels Druck und Körperwärme/ wird aus unser Konfusion/ eine Kernfusion/ und ungeheuer viel/ Energie wird frei.“ Genau so war es!

 

Ronald. Galenza      Dezember 1990             Melodie & Rhythmus     Heft  3/90   S. 6