Bernd Begemann - Unsere Liebe ist ein Aufstand
6. Mai 2004 - Knaack Klub, Berlin
Ach Bernd, war das schön. Und komisch. Und so ernsthaft. Lustig. Generös und gekonnt. Einfach köstlich. Großes Theater auf kleiner Bühne. Auch irgendwie Kleinkunst und Kabarett. Und Rock. Mit seinem hellbraunen Anzug, rotem Hemd und dieser rosa Krawatte sieht Begemann ein bißchen aus wie der zweite Geschäftsführer eines nicht so gut gehenden Autohauses weit draußen am Rande der Stadt. Bernd Begemann hat etwas zu- und ausgelegt, er tänzelt jetzt als fideler Entertainer-Mops über die Rampe. "Bernd Begemann und die Befreiung, das steht für Randale ohne Blutvergießen, das steht für Anmut, das steht für..." begeistert er sich an sich selbst. Ausgelassen, neckisch, ja fröhlich - es scheint ihm gut zu gehen. Ein quietschfideles rotes Hemd vor rotem Samt. Seine neue Band, Die Befreiung, salopp in Anzügen, hält ihm den Rücken frei und läßt ihn weiter Bernd Begemann sein. Eingangs spricht der Hamburger kaum zwischen den Songs, um dann später zu furios, koketter Hochform aufzulaufen. Er quatscht, brabbelt, macht Faxen, grimassiert so eloquent, daß das wohlwollende Publikum dankbar in seinem Charme watet.
Die drei Jungs seiner Band legen ihm Flokatis aus, auf denen er verbal hin- und her tänzeln kann. Das wirkt tatsächlich wie eine Befreiung. Allerdings müssen die drei Herren auch all seine Witzchen und Animierversuche aushalten. Der Trommler Achim Erz muß auf seine Anweisung hin Trommelstock-Akrobatik vorführen. Der Bassist Ben Schadow wird nonchalant genötigt zu tanzen. Auch Keyboarder Kai Dohrenkamp soll irgendwann tanzen, aber das war mehr ein haptisches Zucken.
Begemann singt sich durch seine neue Platte "Unsere Liebe ist ein Aufstand", soeben im honorigen Grand Hotel van Cleef erschienen. Dabei gelingen ihm famose Zeilen wie "Das beste an mir sind wir." Das macht den Anwesenden Mut und bringt gute Stimmung in die Großstadt-Seelen. Zwischendurch werden mal die Sportfreunde Stiller gedisst. Denn die müßten neidisch auf seine Back-Katalog sein, denn immerhin hat er in all den Jahren über 200 Songs veröffentlicht und jede Menge Leute beeinflußt. Aber in die Charts hat er es immer noch nicht geschafft, wie er ironisch gesteht: "Ich habe nichts erreicht außer dir".
Wenn Begemann von den Frauen sprach, vom Leben, von Hamburg und der Welt, pflanzte sich ein Dauergrinsen in die Gesichter der Anwesenden. Irgendwie fühlte sich jeder angesprochen und verstand Bernds Kummer. Er singt ja nicht ohne Grund "Ich nehme es zu schwer." Und da waren sie wieder alle: Christiane, Judith, Ute, Katrin und all die anderen seiner besungenen und verloren gegangenen Frauen. Zwischendrin sollte sich sein kundiges Publikum immer wieder Songs von ihm wünschen, wobei er gar nicht überraschend nur auf Titelbestellungen von Damen reagierte. Und die wollten natürlich die alten, bewährten Gassenhauer hören. Und bekamen sie auch. Er schickte die Band dann schon mal vor zum Biertrinken und gab sich zur Akkustischen leiser und nachdenklich. Kundige Lieder über Glück und Unglück in der Liebe.
Nach der ungefähr zwanzigminütigen Pause kündigte Begemann überraschend Besuch an: die Sängerin des Berliner Elektronik-Projekts Paula, Elke Brauweiler und Michel van Dyke, der sich einst den Hit der Band Echt "Denn du trägst keine Liebe in dir" ausgedacht hatte. Kaum auf der Bühne, verkündete die hübsche Elke, "Bernd, ich bin total betrunken." Klasse Durchsage! Der eher schüchterne van Dyke versteckte sich gleich hinterm Keyboard. Zu dritt schmetterten sie dann eben jenen Hit von Echt.
Im zweiten Teil wiederlegte Begemann gleich den Titel seiner neuen CD "Unsere Band ist am Ende", denn jetzt wurde richtig gerockt. Denn sie können auch schneller. Der gutmütige Bernd wurde jetzt zum Rock-Tier er kräht, jault, heult. Mit schickem Anzug war's schon lange nichts mehr, dafür war es zu warm. Bernd kriecht am Boden rum, macht sich die schicken Klamotten dreckig. Er mosert: "In Berlin wird natürlich nicht die Bühne saubergemacht - das ist unrockich". Aber die Schweißflecken tanzten um so heftiger. Er führte natürlich auch wieder gekonnt sein obligatorisches Hüft-und Hintern-Wackeln auf. Begemann jetzt topfit, galant, witzig, scheinbar zerknirscht und albern.
Das zahlte im die Audience gleich zurück, denn die kannten jede Zeile auswendig. Allerdings nervten später die ständigen Aufforderungen des burlesken Bänkelsängers zum Mitsingen. Eine "Seifenoper Situation". Bernd hat den Laden voll im Griff, immer nonchalant seinen frivolen Eingebungen folgend: "Habt Anal-Sex, aber glaubt mir nicht". In "Kein Glück im Osten", das der Saal hingebungsvoll mitschmettert, bekommt er plötzlich den Blues und begibt sich in dessen Leidensgeschichte. Er deklamiert "Alle meine Lieblingssätze fangen an mit: Wenn du noch hier wärst... " Aber dann wird wieder los geschrammelt, die Band tut ihm sichtbar gut. Nach drei Stunden haben sie 35 Songs gespielt und alle haben gute Laune. Nach diversen Zugaben ist dann Schluß und er singt und droht: "Es wird noch ein sehr schöner Tag werden." Danke. Bernd Begemann, das war immer Charme, Gefühl und Melancholie, jetzt mit der Befreiung kommen auch noch Esprit, Ausgelassenheit und Energie dazu. Sorry, aber das rockt. Großes Entertainment.
Ronald Galenza, Mai 2004