Rammstein - Druckvolle Marschmusik
Knaack, Berlin - 12.10.2004
In Vorbereitung auf die bevorstehende Deutschland- und Europa-Tour luden Rammstein Mitte Oktober zu drei Geheim-Konzerten in den Berliner Knaack-Club. Dort wollten sie erstmals die Titel ihrer neuen Scheibe "Reise, Reise" live spielen und vorstellen. Die Knaack-Gigs sind längst gute Tradition, fanden aber zuletzt 2001 statt. Natürlich durften auch einige Mitglieder der Rammstein-Fanclubs live dabei sein. Unter den etwa 200 Zuschauern waren neben Freunden und Bekannten der Band auch die üblichen gut abgehangen Prenzlauer Berg-Gesichter zu finden.
Nervös erschienen sie schon etwas, die Jungs von Rammstein. Kurz nach 21 Uhr betraten sie in hellgrauen Justizvollzugsanstalt-Kombi-Anzügen die Bühne, um zum ersten mal die Songs ihres neuen Albums "Reise, Reise" einer Generalprobe zu unterziehen. Keine Pyro, wenig Licht. Nach der Ansage von Gitarrist Paul "Wir spielen jetzt 11 neue Stücke und gehen dann wieder nach Hause" ging es los. Die begannen mit dem Stück "Reise, Reise" stumpf loszuhämmern, und spielten danach alle anderen Lieder vom neuen Album. Es war angenehm laut, nicht ohrenbetäubend, sondern fair abgemischt. So konnte man deren Energie körperlich spüren, mußte aber nicht daran verzweifeln.
Höhepunkte waren die Akustikversion von "Los" in dem Till ganz veritabel Mundharmonika spielt, Paul und Kruspe flink die beiden akkustischen Gitarren befingern. Sie können auch anders. Der Live-Set kam wesentlich härter und stringenter rüber, als die neue Platte klingt (mit Akkordeon, Mandolinen usw.) Sie wummerten "Stein um Stein" als Lied für alle Bauarbeiter und natürlich die Single "Mein Teil" samt Metzgermeister-Intro als hart rockenden Metall-Splitter. Das klang wie Musik aus dem Bunker, der Knaack ist ja auch ein dunkles, schwarzes Loch. Man begann so untergangsmäßig zu schwitzen. Das hatte Schmackes und Wucht. Bei einigen Texten mußte man sogar lächeln. Die German Teutons allerdings gaben sich streng. Till machte den wilden, bösen Mann und grimassierte sich mit düsteren Kajal-Augen gekonnt und eindrucksvoll durch die laute Nacht. "Weiter, weiter ins Verderben, wir müssen leben bis wir sterben" hauchte Till voller Innbrunst. Aber er teilte sich auch eine Flasche Wein mit den Fans der ersten Reihe. "Amerika", rockt live deutlich harscher, ein echter Live-Burner! Das war teilweise druckvolle Marschmusik, die die Ami's ja so lieben. Flake gab hinter seinen Tasten wieder den unübertroffenen Flake-Tanz und schlug die feinen Töne gekonnt mit nur einem Finger an.
Nach einer guten Stunde kamen Rammstein noch mal für die Zugaben "Sonne" und "Du hast" zurück, die sie nun sichtlich erleichtert raus hämmerten und offenkundig selbst Spaß dran hatten. Der ganze Gig klang kompakt und schlüssig. Ein knorke Abend, hat Spaß gemacht! Wir gossen Bier drauf.
Ronald Galenza , 14.10.2004