The Go-Betweens - Der Känguru–Blues

Ihr gemeinsames Jugend-Idol war John Farnham! Grant McLennan ist eher der stille Junge vom Land: “Ich bin auf dem Lande aufgewachsen, und wir lebten zu weit entfernt von jedem Radiosender, so kommte man am Gerät drehen und empfing nur dieses merkwürdige Knistern. Von Fernsehen ganz zu schweigen. Ein sehr simpler Lebensrhythmus herrschte da. Es gibt ja viele Talente in jedem noch so entlegenen Gebiet, die meisten gehen dann auch in die Stadt, denn auf dem Lande hat man immer das Problem, daß man die Kühe füttern muß.” Robert Forster dagegen ist Städter, er stammt aus Brisbane. Robert und Grant sind Australier und spielten gemeinsam zwölf lange Jahre in einer Band namens Go Betweens. Sie hatten sich nach dem Film “A Go Between” mit dem Schauspieler Lee Remick benannt und promt hieß auch ihre erste Single im Mai ‘78 “Lee Remick”. Und hier beginnt unsere Geschichte aus dem fernen Australien, die Geschichte von zwei seelenverwandten Musikern und zwei wirklichen Freunden.

Ende 1977 hatten die beiden ihren ersten Auftritt mit zwei Akkustikgitarren von knapp fünfzig Leuten. Robert erinnert sich: “Wir hatten damals Punkbands, die ihrem Namen alle Ehre machten. LauterKleinkriminelle, die keine Mode nötig hatten, weil sie alle von Autoklauen und Apothekeneinbrüchen lebten. Unser Auftritt vor denen muß eine witzige Szene gewesen sein, aber unsere Art führte dazu, daß sie uns für seltsame Haustiere hielten.”
Zwei Jahre später gaben McLennan und Forster ihre Jobs in einem Plattenladen auf und wagten das, was damals viele australische Musker taten, sie verließen ihre Heimat und setzten nach England über, wie eben auch die Birthday Party, die Moodists oder Triffids. Als die Go’B’s aber ihr “People say” spontan bei Virgin Records auf zwei Wanderklampfen vortrugen, wurden sie sofort wieder rausgeschmissen. Heute ist die Situation für Bands vom fünften Kontinent längst nicht mehr so drastisch, wohl auch ein Verdienst von Grupenn wie Midnight Oil. Jedenfalls glaubt McLennan heute: “Ich habe Australien nicht vermißt, als ich zuerst nach England ging und auf Tour war. Einer der Gründe, warum wir Australien verließen war, daß es dort sehr langweilig war. Aber inzwischen hat sich das doch sehr verändert, es gibt jetzt dort viele gute Bands. Australische Künstler brauchen sich nicht mehr für das, was sie tun, zu schämen. Also bleiben sie und arbeiten dort. London hat mich zum Schluß deprimiert, es war alles so grau und die Regierung mochte ich auch nicht. Mit der Wirtschaft ging es bergab, es gab Gewalttätigkeiten, und es war dreckig. Alles, was mich am Anfang an London inspiriert hat, war weg, war einfach nicht mehr da. Außerdem bestand die Band schon seit zehn Jahren, Robert und ich wollten zurückkehren an die Stellen, zu dem Ursprung, wo wir begonnen hatten.”

gob-cover.jpgAber gerade in London angekommen, war für sie noch alles interessant und neu. Sie hatten Glück und trafen Alan Horn, den Chef des heute legendären Postcard-Labels und nahmen eine Single für Postcard auf. Zurück in Australien, lernten sie in Melbourne die Trommlerin Lindy Morrisson kennen. Melbourne war zu der Zeit auch noch die home-base der Birthday Party. Bei einer Feier in einem Studio waren auch die Go Betweens anwesend und Nick Cave sang eines ihrer Stücke. Beide Bands becherten und spielten zusammen und brachten diese Aufnahme später unter dem Namen “The Tuf Monks” heraus. Eine Bekanntschaft, die über Jahre hielt, denn für die Produktion seines ersten Solo-Albums “Danger in the past” holte sich Forster 1990 Mick Harvey, heue bei Cave’s Bad Seeds, dazu. “Mick kenne ich schon über zehn Jahre”, erklärt Robert, “die Go Betweens hatten ja ein paar mal mit der Birthday Party zusammen gespielt. Ich wußte, daß Mick schon in Berlin gearbeitet hat und das er das Hansa-Studio, übrigens das beste Stuio der Welt, sehr mag.” Außerdem half auch ein anderer Australier, Hugo Race.
Grant McLennan langweilte sich bei den Go Betweens jedoch irgendwann am Baß und übernahm die Gitarre und lieferte auch seine ersten Songs. Die erste LP “Send me a lullabye” kam dann 1982 heraus, ein Jahr später folgte “Before Hollywood”. Und schon bei diesen frühen Aufnahmen fallen die Vorlieben der beiden Songwriter auf: Forster sorgte für die eher schwermütigen, getragenen Songs voller seltsamer Ideen, ein Stil, der er bis heute beibehalten hat, denn er sagt: “Ich meine, daß alle Menschen auch dunkle und verborgene, zurückliegende Seiten haben. Sachen aus ihrer Vergangenheit, die in ihnen sind, aber nie mehr wiederkehren, seien es nun Freunde, Menschen oder Situationen. Verlorenes, was aber wirkt.”
Grant McLennan schreibt dagegen die leichten, geraden Songs und er erläutert seine Arbeitsweise, mit der er auch die Titel für sein Solo-Debüt “Watershed” komponiert hat, so: “Ich schreibe immer die Melodie zuerst. Manchmal habe ich bereits den Titel, aber ich schreibe immer die Melodie zuerst. Ich spiele Gitarre, jeden Tag. Ich bewege meine Hand locker über die Gitarre und probiere Akkordwechsel aus. Und meistens fallen mir dabei Melodien ein und ich murmle etwas dazu. Dann gehe ich weg und arbeite am Text. Normalerweise wird der Text nicht endgültig fertig, bevor ich den Song aufnehme. Ich mag es, die Texte ständig in Gedanken zu verbessern. Wenn ich sie dann aufnehme, schreibe ich die Texte kurz bevor ich sie singe.”

Die Go B’s waren Anfang der Achtziger viel in Großbritannien, Europa und den USA unterwegs, statteten aber auch dem 5. Kontinent regelmäßig Besuche ab. Sie hatten damals in London eigentlich eine gute Zeit. Als dann aber ihrer damalige Firma Rough Trade alles auf die Smiths setzte, brachten die Australier ihr drittes Album “Spring hill fair” bei Sire heraus. Ein besonderes Merkmal der Go Betweens war immer auch ihr bewußter und besonnener Umgang mit der Sprache. Forster: “Die Sprache der Rockmusik ist bei alten Worten wie Baby oder Blue stehengeblieben. Es geht aber darum, auch Worte wie Vorstadt, Einkaufszentrum oder andere zu benutzen.”
Auch McLennan stellt hohe Ansprüche an gute Lyrics, “es ist faul, es ist doof und es ist feige, nicht zu versuchen, gute Texte zu schreiben”, schimpft er. “Ich glaube, wenn man einen Song schreibt, will man, daß die Leute zu hören. Und ich will die Intelligenz und die Gefühle dieser Leute nicht beleidigen. Die Lieder, die ich mag, dürfen mich selbst auch nicht beleidigen. Es ist wichtig, daß ein Wort an der richtigen Stelle steht, also nehme ich mir viel Zeit, weil ich glaube, daß ein Text über einem musikalischen Hintergrund mit einem Rhythmus das erhebenste Gefühl der Welt sein kann.”
Getragen werden die Wort aber erst durch die Musik, die Go B’s kamen eben zuallerst durch ihren Klang, ihre Harmonien in mein Leben. Es ist Folk, vielleicht Folk-Rock, aber es ist doch weit mehr . Es ist pure Natur, Weite, Melancholie und Ferne. Vielleicht sogar geographische Emotionalität. Grant meint: “Der Grund, daß die Go Betweens-Alben so gut sind, liegt darin, daß sie mit dem Herzen gespielt wurden.”

gob-oper.jpgBeide, Forster und McLennan spielen auch heute, getrennt, poetische Musik. Vielleicht sind sie moderne Bänkelsänger mit dem Mut zu emotionaler Offenheit und zu Gefühlen. Gewachsenen Sensibilität eben. Musik überzeugt durch ihre stille Kraft, Persönlichkeit, ihre Ehrlichkeit. Sie berichten von kleinen, schlichten Erlebnissen und ganz undramatischen Geschichten. Ende der achtziger Jahre erschien dann die “Tallula”-LP, die wohl künstlerisch und atmosphärisch dichteste Go Betweens-Platte, die sich aber mies verkaufte. Und zuletzt das “16 Lovers Lane”-Album, das mit “Streets of your town” nochmal eine unscheinbare, aber strahlende Perle enthielt. The Edge, Gitarrist von U 2, erklärte “16 Lovers Lane” übrigens zu seinem Lieblingsalbum 1989!
Lindy Morrisson schilderte eine Phase des Gruppen-Lebens so: “Wir lebten sieben Jahre in einem Raum zusammen und das war wirklich sehr schlecht, weil wir kein Geld hatten. Robert und Grant hingen wie Brüder zusammen. Dann kam ich dazu, als Roberts Geliebte. Grant stand außerhalb. Dann trennte ich mich von Robert und Grat traf Amanda. So veränderten sich die Beziehungen in der Band ständig.“ Gruppen-Dynamik.
Die Go B’s verdienten immer mehr Geld beim Touren als mit ihren Platten, was die Band vielleicht auch zermürbte. Viellleicht hätten sie Erfolg gebraucht. Aber was ist schon Erfolg? Grant sieht das so: "Ich habe nie besonders großen Erfolg gehabt, was meine finanzielle Situation angeht. Ich denke, Erfolg ist etwas, was man mit sich trägt. Ich beurteile Erfog nach dem, was Leute, die ich kenne, zu mir sagen. Erfolg hat heutzutage, und das nicht nur in der Musik, sondern in allen Ausdrucksformen, ob Literatur, Kunst, Film oder Theater, leider nur noch was mit vollen Kassen zu tun. Ich finde das sehr destruktiv gegenüber dem, was das ehrliche und ursprüngliche Wesen der Kreativität ist. Man kann da keinen Preis ansetzen.”
Das Ende ist bekannt. Die Go Betweens trennten sich im letzten Jahr in aller Stille, ohne Zwist und keifendes Brimborium. Für mich als alten Go B’s-Forscher besonders interessant, nach der jeweiligen Sicht der beiden Köpfe zu fragen. Zuerst Robert: “Wir sind immer mehr gewachsen und größer geworden in diesen zwölf Jahren und das ist wahrlich eine sehr, sehr lange Zeit für eine Band. Wir haben uns immer mehr entwickelt, auch persönlich und suchten dann nach Wegen, die Dinge auch mal anders anzugehen. Es kamen einfach viele kleine Probleme zusammen, die wir auch unterschiedlich beurteilten” erklärt er. Für Grant lagen die Dinge ähnlich. Ich war müde”, bekennt er und sagt weiter, “ich wollte eine zeitlang nur für mich arbeiten. Ich wollte nicht mehr Mitglied in einer Gruppe sein. Ich diskutierte das mit Robert und kam zu der Entscheidung, die Band aufzulösen. Es ist nicht sehr geordnet geschehen, wenn man bedenkt, wie eng wir alle befreundet waren. Es hätte sowieso mein letztes Go Betweens-Album werden sollen. Das hatte ich der Band auch gesagt. Aber als wir anfangen wollten, die Platte aufzunehmen, spürte ich, daß mein Herz nicht mehr dabei war.”

gob-zwei.jpgBeide haben inzwischen, zeitlich und räumlich voneinander getrennt, ihre erste Solo-LP veröffentlicht. Robert Forster lebt heute abgeschieden in den bayrischen Wäldern in der Nähe von Regensburg in einem Landhaus. Er fühlt sich da sehr wohl unld genießt das Bier und das Esssen. Dort findet er auch genügend Ruhe für seine Arbeit an zeitlos klassischen Songs. Grant McLennan dagegen ist zurück in die Sonne gegangen. "Mein Zuhause ist jetzt 15 Minuten vom Strand in Sydney entfernt. Es ist das erste Mal seit zehn oder zwölf Jahren, daß ich länger als sechs Monate an einem Ort bin, weil ich keine Tournee mehr gemacht habe. Ich habe Australien wieder kennengelernt, weil die Go Betweens von 1982 bis 88, also sechs Jahr, in London gelebt haben. Ich habe Australien also jetzt erst wiederentdeckt und ich genieße es”.
Beide beobachten natürlich interessiert, was der andere nun so treibt, manchmal sehen sie sich auch kurz. Nun war das Ende der so famosen Go Betweens zwar bitter, aber andererseits liegen ja de facto gleich zwei neue Platten im Geiste dieser Band vor. Auf die Frage, ob sie sich denn heute noch mit ihrer Vergangeheit, also dem Erbe der Go B’s, beschäftigen, kommen beiderseits positive Reaktionen. Robert spielt diverse Songs live und auch Grant meint: "Ja, ja, ich höre unsere alten Sachen. Bevor ich eine Platte mache, höre ich mir alles an, was wir davor gemacht haben.”
McLennan forcierte im vergangenen Jahr noch ein anderes brisantes Projekt. Gemeinsam mit Steve Kilby, dem Chef der australischen Gruppe The Church, hat er unter dem Namen “Jack Frost” eine bizarre LP eingespielt, die zeigt, daß Grant auch mit einem anderen Songwriter leise, fabulierende Songs schreiben kann. Spannend aber die Frage, ob es denn vielleicht doch mal wieder eine Zusammenarbeit mit dem Ur-Freund Robert Foster geben könnte. Grant antwortet gelassen: "Ja, wir haben darüber gesprochen. Wir arbeiten gerne zusammen und ich weiß, daß wir wieder zusammen arbeiten werden. Ich weiß jedoch nicht, ob es Musik sein wird. Es könnte jedoch ein Ballett sein. Wir haben auch schon darüber nachgedacht, einen Film zu drehen. Wer weiß? Wir kennen uns schon zu lange, als daß wir nicht daran denken würden.” Vielleicht gibt es ja wirklich so etwas wie ewige Freundschaft. Also bye, bye pride und für uns das Prinzip Hoffnung.

electric galenza

Februar/ 1991 NMI & Messitsch Berlin (S. 36/37)