Pixies - Affen im Weltall
Hallo Erde - hier ist Alpha! Hallo Menschen - hie sind die Pixies. Hier wird nicht gekleckert, sondern geklotzt Das Cover der neuen Pixies-LP "Bossanova" verrät: der kräftig rotglühende Stern der Pixies überstrahlt mit seinen vier Monden von nun an das ganze Sonnensystem. Ja, die können sogar Affen in den Himmel schießen. Es ist doch mal schön, direkt mitzuerleben, wie sich aus einer kleinen, unbedeutenden Kapelle au dem riesigen Boston freischwimmt und nun selbstsicher, fett und wichtig ganz oben auf der Rocksuppe schwimmt.
Den Pixies gelang es als eine der wenigen heutigen neuen Bands, schnell und schier unaufhaltsam aufzusteigen und immer größere Massen mobilisieren zu können. Ihnen gelang das mit vier Schallplatten, auf denen sie diverse Elemente angwandeter Rockmusik bündlen und dabei frisch, neu und unverbraucht klingen. Gigantic. Und doch bleibt ihre Musik auch rätselhaft.. "Die genialsten Gedanken sind die, mit denen man massenhaft Leute erreicht. Ich will hier nicht behaupten, daß es leicht ist, Underground oder Avantgarde zu sein, aber die genialsten Dinge für mich sind eben die mit einem vielschichtigen Massenapeal", erklärt Black Francis. Der heißt eigentlich Charles und ist der unumschränkte Herrscher der Pixies.
Seine Geschichte geht so: Charles war ein kleiner, dicker Junge, der nach der Bibelstunde regelmäßig an den Strand zog, um die Surfer zu beobachten. Nach der High School besuchte er die Universität San Juan und wechselte später nach Boston. Francis schmiß 1986 sein Archäologie-Studium um seine erste Band zu gründen. Gitarrist wurde der ebenfalls schnell gefrustete Student und Zimmerkollege Joey Santiago. Gemeinsam gaben sie eine skurile Annonce im "Boston Globe" auf, mit der sie einen Bassisten für eine Band musikalisch zwischen Hüsker Dü und Peter Paul & Mary suchten. Es meldete sich eine gewisse Mrs. John Murphy, die heute viel besser als die hübsche Kim Deal bekannt ist. Sie brachte schließlich auch Trommler David Lovering mit.
Als erstes nahmen sie die Mini-LP "Come on pilgrim" auf, die sehr rauh und hart klingt. Über den Manager der Throwing Muses kamen sie an Ivo Watts und dessen ätherisches 4 AD-Label in London. Da schweben sonst nur Leichtgewichte wie die Cocteau Twins oder In The Nursery durch die Büros. Kein Problem für Francis: "Diese Brücke nach England zu 4 AD gefällt mir ausgezeichnet. Wir sind zwar eine von diesen ungestylt, normalen Ami-Bands, aber es geht in Ordnung."
Vom Label kam dann auch der überraschende Vorschlag, die 2. LP "Surfer Rosa" März 87) von Steve Albini (Big Black, Rapeman) produzieren zu lassen, der ja für rohe, krachende Sounds bekannt ist. Letztlich schob der auch alle Regler einfach auf Anschlag, so daß die Platte fast wie live dröhnt. Where is my mind? Schon auf diesem ersten full-time Longplayer kann man alle Stärken und Eigenarten der Pixies erleben: krachigen Rock, heftige Gitarrensounds, kurze, schnelle Punk-Nummern, von Folk beeinflußte, ruhige Songs und diese poltrigen, von Rhythmuswechseln getriebenen Ohrenbeißer. "Ich glaube nicht, daß wir bewußt einen Sound zusammenbasteln und entscheiden, das klingt nach Pixies und dies nicht. Wir spielen einfach drauflos, ohne uns groß um irgendwelche Einflüsse zu kümmern", schildert Kim Deal.
Während sich in den USA nicht allzuviel regte, war man in Europa schnell hellhörig geworden. Vielleicht spielten neben der expressiven Musik und den spanischen Einsprengseln (Black Francis lebte ein halbes Jahr auf Puerto Rico), auch die seltsam-obskuren Texte eine Rolle. Francic erklärt: "Die meisten Texte handeln von Sex und Perversionen. Ein Song ist zum Beispiel über ein Taschentuch, daß nach meiner Freundin roch. Ich behielt es zwei Wochen. Ansonsten baue ich um einige wenige prägnante, oft zufällige Worte, meine Texte, die oft nicht so viel bedeuten. Ein ordentlicher Rocksong braucht halt einen Text."
Francis, der auch die Songs schreibt, meint zu den immer wieder erhobenen Vorwürfen, er sei der unnachgiebige Herrscher der Band, "die Pixies waren nie eine demokratische Angelegenheit. Ich bin der Diktator, ha, ha. Ich habe das größte Ego und ich habe die Band gegründet. Wer damit nicht zurecht kommt, kann ja sein eigenes Ding machen. Soll mir recht sein. Ich habe diese Leute rekrutiert und ich verdiene auch mehr Geld als sie. Ich meine, wir sind Freunde, doch die Rollen sind klar verteilt."
Kim Deal hielt sich einfach an den Ratschlag des Chefs und macht 1990 ihr eigenes Ding. Sie brachte unter dem Namen The Breeders das Album "Pod" heraus. Mit an ihrer Seite Tanya Donelly von den Throwing Muses und Josephine Wiggs von Perfect Disaster. Aufkommende Trennungsgerüchte werden aber flugs von allen Seiten demenntiert. 1989 zauberten die Pixies dann das Album "Doolittle" auf die Plattenteller. Das brachte ihnen noch einmal einen ordentlichen Popularitätsschub ein. Besonders Tracks wie "Debeaser" und "Monkey gone to heaven" fuhren reichlich Sympathie ein. Produziert wurde "Doolittle" von Gil Norton, der vorher mit Echo & The Bunnymen oder Wet Wet Wet, also eher poporientierten Bands, produziert hat. Das merkt man dem Pixies-Sound aber kaum an. Dieser Norton hat nun auch wieder die neue Platte "Bossanova" aufgenommen und sie haben noch eins drauf gesetzt. Alles voll mit dieser den Pixies eigenen Atmosphäre und Dramatik. Francis macht aber darum nicht viel Wind: "Rock'n'Roll ist Unterhaltung. Wenn daraus ein ganzes Lebenskonzept gemacht wird, halte ich das für ziemlich absurd. Popmusiker werden viel zu ernst genommen. Es ist doch nicht schwer, ein Stück Musik zu schreiben. Ich setze mich hin und ruckzuck ist ein neuer Song fertig."
Mittlerweile konnte man die Pixies hierzulande auch live besichtigen, doch ihr Mythos schwand. Es fand eine Art Defloration ihres Sounds statt. Es war ein stinknormales Rockkonzert, laut und wuchtig. Der kleine Black Francis fegte mopsfidel in seinem karierten Holzfäller-Hemd und labbrigen Jeans wie ein Verkehrskegel über die Bühne. Kein Problem, denn "wir nehmen uns nicht besonders ernst. Viele US-Bands sehen in ihren karierten Hemden zwar cool und locker aus, nehmen es aber viel zu genau damit" begründet der Sänger. Er sang und schrie entfesselt. Kim Deal war ebenso unauffällig gewandet, Joey Santiago malträtierte seine schneidende Gitarre, von der gleich zehn auf der Bühne auf Strom warteten. Sehr Van Halen-mäßig. Sie spielten alle großen, alten und neuen Songs. Sehr gut, sehr normal, nichts überraschendes also. Die Pixies füllen inzwischen große Arenen und Francis nutzt die obligatorischen Promotion-Touren, um mit seiner Freundin Europa kennen zulernen.
Black Francis ist nach Los Angeles umgezogen, um ein besseres Surf-Feeling zu haben, natürlich nur als Gaffer. Zum heutigen, stark gewachsenen Status seiner Band winkt er nur ab, "wir müssen nun in teuren Kreisen, Studios gut arbeiten oder zurück in die Clubs. Aber meine Songs würde das nicht beeinflussen. Ich würde immer so weiter machen, auch wenn es nur mein Hobby wäre." Vielleicht ist das auch schon das ganze Geheimnis des Black Francis - er ist einfach ein schlichter Rock-Arbeiter, der seinen Job sauber ausübt. Immerhin haben es die Pixies so in die Regale der Rockgeschichte geschafft.
R. Galenza Okt. 1990 Messitisch 5/90 S. 10