Ich such die DDR… und keiner weiß wo sie ist
In Sounds by Rolling Stone (Edition VII – Nov. 2009)
Diese Zeile krähten Feeling B 1991. Nun sind 20 Jahre seit dem Mauerfall vergangen, eine lange Zeit. Was also ist aus all den Bands und Musiker der DDR geworden? Denn mit dem Mauerfall war für alle Ostbands plötzlich alles komplett anders und neu. Für die Rock-Dinosaurier wie Karat, Puhdys, City usw. lief es 1988/89 schon nicht mehr gut, sie traten kaum noch auf, die Plattenumsätze schwanden drastisch. Erfolgreicher waren die etwas ehrlicheren Bands wie Silly, Pankow oder Rockhaus. Aber all diese Musiker verfügten bereits über Reisepässe gen Westen und waren müde von diesem Staats-Sozialismus. Sehr viel vitaler agierten da noch die sogenannten „anderen bands“. Combos wie Die Art, Die Vision, Die Skeptiker, die anderen, Feeling B, Sandow oder AG. Geige füllten nun die Säle und Open-Airs, denn sie spielten moderne, aktuelle Sounds und hatten sich längst von der üblichen „liedhaften Rockmusik“ verabschiedet. Nach dem Mauerfall installierte der einstige Platten-Monopolist Amiga flugs sein neues, unschuldiges Label „Zong“, bei dem die meisten dieser jungen Bands ihre ersten Platten rausbringen konnten. Aber der VEB Deutsche Schallplatten wurde rasch privatisiert, damit mussten sich alle Bands neue Partner suchen. Dies gelang auch den meisten, sie veröffentlichten nun bei kleinen Labels im Westen wie Rough Trade, EfA, SPV oder Zensor. Das lief anfangs auch ganz gut, die famosen Leipziger Die Art, die lustigen Feeling B oder die forschen Skeptiker verkauften ganz passabel.
Die Bands mussten sich nun dem internationalen Wettbewerb stellen, einige Konzerte im Westen liefen auch noch verheißungsvoll. Aber die Zeit blieb ja nicht stehen. Techno begann seinen Siegeszug und Grunge war explodiert, Nirvana und Pearl Jam rockten die Welt. „Flake“ Lorenz von Feeling B stellte ernüchtert fest: „Relativ schnell nach der Wende haben wir gemerkt, dass wir mit Feeling B im Westen nie richtig Fuss fassen werden. Wir feierten im Westen nie die Erfolge wie im Osten. Für uns war klar, wenn wir weitermachen, werden wir immer nur im Osten vor uns hin krepeln. Aber wenn schon die Mauer offen ist und man im Radio die ganz coolen Bands hören konnte, wollten wir das nicht.“ Also gründeten drei Jungs von Feeling B mit Musikerfreunden die heute weltweit erfolgreiche Band Rammstein.
Das Problem der Ostkapellen war meist, das man sie auf ihre internationalen Vorbilder zurück führen konnte (z.B. Joy Division, The Smiths, Cure usw.) Nun konnten sich die Fans aber gleich die Originale anschauen, niemand brauchte mehr gut gemachte Kopien. Auch wussten diese Bands wenig über Marktstrukturen oder das Musikgeschäft. Die großen DDR-Bands lösten sich fast alle erstmal auf, denn es bestand keinerlei Interesse mehr an ihnen. Aber wie auch The Police, die Sex Pistols oder andere, wagten auch die Ostbands später ein Comeback. Amiga, nun unter dem Dach von Sony-Universal, receycelte gut gehende Best of-Scheiben, es war wieder ein Interesse beim Publikum da, eine Sehnsucht nach dem Soundtrack der eigenen Jugend. Sie sind fast alle wieder da. Bei Silly singt nun Anna Loos, bei Karat der Sohn Claudius Dreilich. Die Puhdys werden wirklich „Alt wie ein Baum“ und City singen immer noch „Am Fenster. Die Art, Sandow oder Die Skeptiker kommen mit neuen Platten und Touren. Seltsam allerdings, dass dort eben immer wieder vehement die alten Ost-Hits eingefordert werden, es die durchaus guten neuen Songs schwer haben. Selbst die jungen Leute im Publikum kennen und fordern die alten Songs. Auch die großen alten Bands feiern wieder Erfolge, besonders bei den jährlichen, ausverkauften Ost-Rock-Classics-Open Airs vor 25 000 Fans in Berlin. Andere Bands haben sich aus der alten Szene längst in die neue Zeit transfomiert, wie eben Rammstein, Knorkator, Tarwater oder Rummelsnuff. Und natürlich sind ganz neue, junge Bands aus dem Osten nachgewachsen wie Tokio Hotel aus Magdeburg oder Silbermond aus Bautzen und feiern gesamtdeutsche Erfolge.
Ronald Galenza