Schottland
Die Morgenröte warf rosa Schleppen über die scharf gegen den Himmel abgesetzten Bergkämme von
Beinn an Eoin und Sgurr an Fhidhler. Im Norden toben weiße Wolken über den Suilven, ein rohes,
einsam aus dem Moorland aufragendes Felsmassiv. Jeden Tag leuchtet es anders, nie sieht die dieselbe
Landschaft gleich aus. Am schottischen Licht kann man sich nicht sattsehen. Der österreichische Maler
Oskar Kokoschka reiste zwischen 1929 und 1969 viermal in den hohen britischen Norden. Er malte
einige seiner lichtfrohsten und zugleich tiefgründigsten Gemälde seines Lebens.
Schwermütig grüßten die buckligen Berge am blinden Horizont. In den schottischen Highlands turnten
Gnome und Elfen durchs Gebüsch, seltsam behörnte Tiere kreuzten unsere Single Road Tracks. Zum
breakfast hatten wir Milch im Whiskey. Kalte, klamme Gotteshäuser konnten uns nicht wärmen, düstere
Schlösser hielten uns nicht auf, die Ödnis der Macht. Trotzdem liebten wir diese baumlose, verlassene
Gegend. Rau. Still. Wild. Ehrlich.
Wir enterten die äußeren Hybriden von Uig aus, ein vergessenes Dorf am Nordende der Isle of Skye.
Bestiegen die eiserne Caledonian MacBrayne-Fähre mit kalten Füßen. Das Meer war platt, die
Wettergötter schliefen noch. Die blauweiße Schottenflagge knatterte selbstbewußt, die Schiffssirenen
verhießen sicheren Anker. Wale begleiteten uns im endlosen Licht des Horizonts. Bis ein NATO-U-Boot
unsere unsichtbare Route querte. Die See-Markierungen wurden unscharf. Das Wasser wurde eng.
Schifffahrtswege piratisieren?
Ankunft in Lochmaddy. Die krummen Torfstecher gruben schweigend, Stichgabeln stachen die Soden
aus. Kinder zogen die schweren Torfkarren zum Sammelplatz. Der obligatorische Dudelsack weinte
hinter einem Kriegerdenkmal. Im Pick-Up-Radio in den Dünen von Balivanich schmetterte der Teenage
Fanclub seinen “Alcoholy day”. Hatten Sand in den Haare, ein ewiger Wind blies uns glücklich. Unterm
ewigen Leuchtturm summten wir zu Cheddar, Keksen und Malt ins torklige Tosen. Das Licht des
Nordens ist eine Summe. Rasch gewannen wir an Bacon’scher Tiefe.
© R. Galenza