Menorca

 

Wind ging. Und Wind kam. Vom Golf du Lion. Ein stürmisches Prusten preßt über das

Land. Die See tost, Wellen brechen. Ein tosendes Rauschen der Gegebenheiten. Die

Klippen halten aus. Eine harte Poesie voller Kargheit. Die Druiden wärmten ihre klammen

Finger an einem hitzigen Feuer. Der Wind war ihr Geselle, ein alter Kumpan von

Anbeginn. Der hat ihnen früher die Pferde gebändigt und die rauhen Adler gestutzt. Für

ihre blutrünstigen Mahle errichteten sie Taules, steinerne Tafeln und Tische, zwei bis drei

Meter hoch, das Mobiliar eines ausgestorbenen Riesengeschlechts. Hier brannte das

immerwährende Feuer der keltischen Druiden, die auch gerne mal Menschen opferten.

Im Monolithenkreis wurde kultisch zubereitet. Der Wind hat geschwiegen und heimlich

mitgetan.

 

Viele Winde und viele Feinde trachteten dem Eiland die Harmonie. Um gewappnet zu

sein, errichteten die Druiden Talaiots, Wachtürme aus großen, grob behauenen

Steinquadern, die ohne Bindemittel zusammengesetzt wurden. War die Zeit abgelaufen,

errichtete man für die Besten und Stärksten Navetas, kleine, langgestreckte Stein-

Pyramiden als Grabstätten. In den Höhlen von Es Càrritx und Es Mussol im Westen

fanden sich Hornzylinder mit menschlichem, rot gefärbtem Haar. Wahrscheinlich Europas

älteste Bauwerke. Aber wir waren das nicht.


Im Norden der Insel hausen Fabelwesen und krude Götter, bis Hannibals Bruder Mago

einfiel und zu randalieren begann. Er kam auf einem Schiff übers wilde Wasser. Und auf

den Schiffen segelte permanent der Hunger mit. Und dann fielen alle anderen ein, erst

1287 wurde Menorca den "Ungläubigen" entrissen, die siegreichen Katholiken brachten

Epidemien und Hungersnöte als Geschenke mit. Danke, Oh Lord! Druiden und

Fabelwesen zogen sich in die Legenden zurück und leben heute dort und erzählen sich

die alten Geschichten. Nur einer blieb: ein wütender, schartiger Wind.

 

© R. Galenza