Puerto Rico
Wir starrten direkt in die unbarmherzige Sonne. Von den Weiten des Pazifik hatte man zu jener Zeit
noch keine Vorstellung. Vasco Núñez de Balboa war der erste Europäer, der nach seinem mörderischen
Marsch durch Panama das „Mar del Sur“, die Südsee, erblickte. Tanzten auf den Mauern des
Cementerio Santa María Magdalena de Pazzi direkt überm Meer. War das das magische Portal ins
Jenseits? Eine unheilvolle Stille hob an, als die Karibische See stürmisch die Seelen der Toten
schüttelte. Wir flohen nach La Perla, die shanty town (Barackensiedlung).
Der legendäre Pirat Sir Francis Drake drehte 1594 mit seinen 25 Karavellen vor San Juan auf Puerto
Rico bei um zu plündern. Doch die Feste war stark ausgebaut und der Angriff schlug fehl. Sein Vetter
John Hawkins wurde dabei von einer Kanonenkugel getroffen und starb in einem für Piraten stolzen
Alter von 64 Jahren. Bestraften ihn die Götter der Insel? Die Indianer, die einst auf dem subtropischen
Eiland lebten, nannten das Eiland "Borínquen" - Insel des Tapferen Gottes. Die Taíno-Indianer glaubten
an eine polytheistische Weltordnung und spielten schon Fußball als rituelles Ballspiel. Ihre wichtigste
religiöse Zeremonie aber war das Ritual des Cojoba, bei dem Tabak und andere berauschende Kräuter
inhaliert wurden um sich in Trance versetzten, um mit den Göttern zu kommunizieren. Später
übernahm der Spanier Ponce de León die Schicksalsstränge als Gouverneur der spanischen
Konquistadoren auf Puerto Rico. In alten Logbüchern ist zu lesen von Konflikten mit Indianern, die den
Spaniern Boote, Waffen und Gerätschaften wegnehmen wollten. Es kam zu handfesten
Auseinandersetzungen. Denn De León war derweil mit Diego Kolumbus, dem Sohn des großen
Entdeckers, in üble Machtstreitigkeiten verwickelt.
Sklaven aus Afrika brachten ab dem Jahre 1520 die Voodoo-Religion mit auf die Insel. Man sieht immer
noch Bauern, die ihre Felder heute noch so bestellen wie die indianischen Ureinwohner vor ihnen. Die
abergläubische Landbevölkerung bewahrt sich einen tief verwurzelten Aberglauben, verbunden mit
Voodoo-Praktiken. Sahen rituelle Tänze um tote Tiere, egal ob es sich um eine verweste Katze, Füchse,
Kojoten, wilde Hunde oder einen vertrockneten Rochen handelte.
Besonders in den Bergen herrscht noch starker Geisterglaube. Beobachteten verstört Chupacabra, ein
lateinamerikanisches Fabelwesen mit Stacheln auf dem Rücken. Gleich einem Vampir beißt es Ziegen
oder Schafen in die Kehle und saugt ihnen dann das Blut aus. Uns waren in einem abgelegenen Tal die
geflüsterten Erzählungen der Taino-Indianer zu Ohren gekommen über einen Quell auf einer
sagenhaften Insel, aus dem derjenige, der ihn betritt, um Jahrzehnte verjüngt wieder hinaustritt. Die
Suche begann.
Wir saßen in den hohen, sattgrünen Bergen von El Yunque, dem immer-feuchten Tropenwald in der
Sierra de Luquillo. Schlürften Mofongo, ein puertoricanischer Brei aus Kochbananen, und labten uns an
schwerem Rum. Coqui, der grüne Baumfrosch, schrie um sein Leben. Hatten gute Sicht, in der Ferne
strahlte zufrieden Montserrat, Teil der West Indies.
Zurück in der Altstadt von San Juan. Im Restaurant "Barrachina" im Haus 104 in der Calle Fortaleza
war der frühere Barchef Ramón Portas sehr erfolgreich, als er seine Angebetete mit einem tropisch-
süßen, leicht alkoholischen Drink verzaubern wollte: weißer Rum, Ananassaft, Kokoscreme und ein
kleiner Schuss Sahne – die Piña Colada war erfunden. Heute dengeln dort Salsa und Merengue und
dröge Amerikaner. Der Fluch der Karibik.
© R. Galenza