Dänemark

 


Dänische Dramulette. Wir kreuzten die Borderline. Die dänischen Zöllner musterten uns mißmutig, sie

hatten zuviel Elend gesehen. Wie gottlose Gestalten in langen Mänteln kassierten wir die Gerüchte der

Windräder hinter der Grenze. Sie fluchten und schrien gegen eine köstliche Märzbläue an. Der Wagen

lief ruhig und rund. Wir schnitten kalte, verlassene Buchten, passierten kitschige Schlösser und

überfuhren warme Karnickel. Auf der Halbinsel Roen knatterte der Wind in den Knochen, willenlose

Weite, schlotternde Kutter, paradiesische Panoramen. Die Vergangenheit ist unvorhersehbar. Wir waren

auf dem Weg in eine kalte, nichts-wissende Ferne, eine Zukunft, die besseres verhieß.


Wir hatten uns bewundert, gebraucht und gestritten. Lange Fahrten, langes Schweigen. Genug frischen

Wein im Fond. Die Luft wurde kalt und dünner. Wir stritten uns Stunden. Kamen uns verletzlich nah und

blieben berechnend fremd. In die alten Wunden streuten wir reichlich Tabak & Schnaps. Wir konnten

eisig und bedeutend schweigen, rezitierten die alten Gedichte. Waren stolz auf die verblichenen Briefe,

all die Ehrlichkeit. Jeder kannte jede Zeile. Wir überboten uns und verletzten uns neu. Draußen blieb

draußen, die Eiswinde kannten wir ja schon.

 

Wir soffen uns um den Verstand. Gaben mit fremden Dichtern an, brüllten uns nieder und schliefen

dann doch im selben Bett. Der eiserne Hafen von Ejsberg. Meilenweit Rost und Fischgeruch. Die

Lagerhallen des Frostes und der Verwesung. Überall Netze und alte Kapitäne. Die Flotten der Hoffnung

und des Tangs. Vergilbte Kioske voll billigem Schnaps. Die barmende Brandung. Im Norden sahen wir

einst stolze Kirchen gelassen im windigen Sand untergehen. An der kalten Küste wuchs Sand ins Land,

eine alte Sonne gab sich keine Mühe mehr mit uns.

 

Wir erreichten das doppelte Ufer: Skagerrak und Kategatt. Hier machen sie das Wetter. Die See von

Norden war eisig, die von Osten salzig. Tapfer ertrugen wir die Bisse der Wellen. Versagte hier die

Schöpfung? Die Wellen liefen irr, delierten und kreuzten unheilvoll. War Gottes Plan aus dem Ruder

gelaufen? Wir froren mutig, salbten uns in Aquavit. Wir stöhnten vor kristallklarem Schmerz, kein Land

in Sicht. Unterwegs glänzten die billigen Porno-Hefte neben dem Benzin. In Arhus hielten sie uns für

schmierige Bettler und klauten uns die Radkappen. Wir revanchierten uns mit windigen Legenden bei

der selbstverliebten Studentenschaft. Die betäuben sich hier rasend schnell. In den hitzigen Bars

Kopenhagens hausten andere Kaliber. Die spannen uns in ihr Seemannsgarn ein, der Rum verdunstete

in erfahrenen Kehlen. Alte Weiber & junge Spinner! Alle logen, bis sich die Balken bogen. Man berief

sich auf gestrandete Gottheiten, die ganze tranige Vikinger-Vergangenheit. Die Stadt blieb fremd mit

ihren Festungen und all dem öden Backstein. Kein Getuschel, keine dampfenden Geschichten. Wir

bestaunten die gigantischen walweißen Körper der Norweger-Fähren. Vielleicht eine Option auf später.

 

Das Sausen & Brausen der Morgenköpfe. Die eilige Flucht zu den Fähren, eine Raserei im dänischen

Schnee. Unterwegs Salzwiesen und Fischabfälle. Das müde Warten an einer Mole. Die trunkene

Überfahrt nach Deutschland, psychedelische Zerrbilder aus splitternden Farben. Warnemünde zur Oase

hochstilisiert. Der schmutzige Hafen. Das dunkle Deutschland. Eine eiskalte Nacht.

 

 

© R. Galenza