Vlamme der Fersöhnung
Wir waren weit gekommen; oder gescheitert. Wer weiß. Das Licht kroch mürbe aus den alltäglichen Löchern. Wir löcherten uns mit den alltäglichen Fragen. Ein Hofften und Bangen in unseren fahlen Wangen. Der Horizont spielte mit uns übel Schach. Fata Morganen, heilige Könige, Offenbarungen, Heilsversprechen oder versprengte Reiter, die an unsere Versprechen wollten? Unter diesem Sonnen-Schrein leisteten wir den Offenbarungseid, meldeten Insolvenz, uns umkreisten the Angels of Nothing. Wir waren bereit & breit. Willfährig und transportbereit. Nichts da. Außer uns. Streit brach aus, bald flogen die Streitäxte, willfährige Werkzeuge der Hilflosen und Verzweifelten. Man konnte auch wissend tun, oberflächige Weisheit verstreuend unter die aufgebracht Mutlosen. Eine Wasserpfeife als Flamme der Versöhnung, ein Ratgeber aus leeren Worten. Die Hoffnung stirbt zuletzt in aller Einsamkeit. Die Messer blieben stecken. Mysterien aus Nichts.
Sonnenblind brachen wir auf ins Nichts. Weiter ging es durch kalte, klare Nächte, stumpfe Hügeleien, wortlose Tage, eisernes Schweigen und all die ungerechtfertigten Hoffnungen. Irgendwo, niemand wußte wo, sollte ein Ziel kauern. Hütten aus Essen, Oasen der Sexualität,
Plätze voller Essen, ein Fluß mit dem Versprechen auf Flucht. Viele fügten sich in die Fugen des scheinbaren Schicksals, die Tapferen mimten die Späher und kehrten nie zurück. Gefressen vom Nichts, der Kälte oder vom Sonnenfraß. Gute Reise. Jeder Berg war Hoffnung auf das Dahinter. Der Tabak ging aus, alles Wasser den Bach hinunter. Das Hohnlachen der Götter wurde jede Nacht lauter. Wir wurden colorblind. Die Rücken steif, die Seelen wund, wurden wir Simulanten unser selbst. Aber: wir warfen perfekte Schatten. Rettende Pferde durchritten unsere wirren Träume. Von fern vernahmen wir imaginäre Lieder. Reproduction of pain. Wir schämten uns unserer Trugschlüsse. Der Narretei. Endlich wurden wir frei, bereit stolz zu sterben. Oder elend zu verenden. Öl und Feuer gingen zur Neige, jemand spielte zum letzen mal Geige. Wir ließen alle Hoffnung fahren, bekamen graue Gesichter. Plötzlich frömmelten alle in der Halle der Religionen. Legionen von Gebeten. Der Versuch der inneren Einkehr auf der Suche nach sich selbst und Rettung.
Jeden Morgen wurden wir weniger. Das Nichts ringsum wurde weiter. Keine Flamme der Versöhnung. Stille und Wind. Immerwährend. Kalt und heiß. Wer war noch wer? Wir hatten nichts mehr zu verlieren. Wir gaben den Mond auf und die Sonne. Wie unwichtig; krochen wir durchs Nichts. Das Endlose. Tage, Monate? Wir versuchten uns zu erinnern, an alles, was wir jemals gewußt, oder glaubten, daß sei irgendwie wichtig oder von Bedeutung. Hier draußen war allerdings überhaupt nichts mehr von Bedeutung. Wir deuteten die Sterne, die uns auslachten. Gingen uns verzweifelt an die Kehle und versöhnten uns notgedrungen. Die Tage wurden länger; Angst & Irrsinn mischten sich ins Gepäck. Manche drehten durch und gingen irr, verloren für immer auf den Weiden der unendlichen Glückseeligkeit. Farewell! Wir taumelten zwischen den Breiten & Graden, auf den Spuren der Karawanen. Ewige Sonnen. Ewige Zeit. Es war längst alles egal. Uns wuchsen rauschende Bärte, wir bildeten uns Weisheit ein. Die reichte einen Tag lang. Wir schrieben die allerletzten Briefe, an wen auch immer. Übergaben die den Schatten der Nacht. Fort waren sie. So wie wir. Hinaus ins Vergessen. Jeder wärmte sich nur noch an dem Rest seines Selbsts. Da war ein Bibbern aller Zweifel, ein Zittern der Ehrlichkeit, das Beben der Rache. Niemand wunderte sich mehr. Die Besten hatten aufgegeben, die anderen wurden wund und stumpf. Ein inneres, hoffendes Läuten der Läuterung, das wissende Bangen der Verlierer. Eine aufgegebene Sprache ohne Bezug. Endlich ein Ankommen bei sich selbst. Eine ehrlose Ehrlichkeit. Hauptsache unterwegs, wohin auch immer.
r. galenza 19.09.2002