Bastard der Erwartung

Waren wir auf der Reise zu neuen Fragen oder alten Antworten? Ich war Kurier des Kryptischen, larmoyanter Lügner, wetterwissender Windwart. Anwalt aller alten Angst, Gerüchte-Dealer, schartiger Scharlatan des Schattenreiches. Seit Tagen irr ich durch die Archive der Apokalypse. Die Zeit hat genug zu tun mit den Wunden der anderen. Ich war guter Hoffnung auf ein Zeichen. Wer würde die Nerven verlieren und sich offenbaren? Aber ich blieb allein. Eratische Erlösung.

War grindiger Gnom der genialogischen Genese. Garant des Mißerfolgs, Stratege des Scheiterns, Tamagochi der Tragik, fetter Fatalist. Sie zogen mich an, Einbahnstraßen und Sackgassen, unbewußt und scheinbar frei. Popen, Pfaffen und Prälaten waren mein imaginäres Spalier. Imagine. War ich auf der Flucht oder auf der Suche? Ich reiste unter Vorwand, vielleicht Erleuchtung erhoffend. Nichtsahnend voller Wissen. War ich Quelle oder Mündung? Mein gestohlener Mantelsack kniff, die geborgten Schuhe schmerzten. Im Kopf Unwissenheit, im Gepäck Weisheit. Auf fleckigen Molen erklärte ich die Meere, auf den Bergen die Welt. Die Leute strömten zuhauf, kein Mensch, nur die Henker verstanden mich zwischen den Zeilen. Ich lobpreiste, sie flehten. Später floh ich und geisterte durch neue Formen.

Wir lagen in den Ruinen, der Mond schien kalt wie ein Pistolenlauf. Ich begehrte Einlaß an deiner Moschee der ewigen Verheißung. Ich war ein heiliger Mann, ein Mann der Liebe. Libinöser Linguist, Landrat des Verlangens, lasziver Lazarus des lebenslangen Lasters, LkW-Kutscher der Lust. Ich fiel auf mich selber rein, alter Verschwender. Tolstoische Ruhe breitete sich über den Hügeln und Tälern deiner Leidenschaft aus - erotische Memoiren einer Fee. Ich zog weiter als Orgasmus-Organisator, Menstruations-Monsun und Buchmacher der Busenwunder. Wurde Gegenwind der Geilheit, Hurricane über den Herden, Taifun der Treulosen und Katastrophe der Kollektive. Ich wurde eins, kannte jeden Stern, aber kannten die mich? Ewigkeit legte sich über die Hänge. Ich legte mich dazu.

Mein zuhause war die Trauer, die Angst hatte hier ihr Nest. Der Zweifel wohnte nebenan. Ich tarnte mich als Grübler, doch alle wußten, ich bin ein Lügner. Bin diesen Weg aus Trotz gegangen, wollte immer wieder von vorn anfangen. Haß war mein Name, meine Geliebten hießen Schmerz und Wut. Und das tat gut. Ich wollte Rache, aber die Feigheit lähmte mich. Meine Haut war Oberflächlichkeit. Gott rief regelmäßig zurück. Wir kannten uns aus. Ich schenkte ihm meinen Mantel der Einsamkeit. Er revanchierte sich mit einer Prise Illusionen. Nichts, worum ich bat, nichts woran ich glaubte.

Fluchtpunkte & Landeplätze im Garten der Erinnerung. Träume sind Schäume und wurden Fluch. Also brach ich auf, den Horizont zu weiten. Kirschbäume & Papayagärten. Drogenhöllen & Nachbarschaftshilfe. Oder aber: Quarantäne in den Irrgärten der Gefühle. Klar doch: Ulknudel und Spaßtyrann. Also: Versteller und Fallensteller. Nieder mit den Umständen! Immer auf der Hut. Hutlos durchs All in die Götterdämmerung. Äh, wo wohnt Gott? Uns trennen Welten. Die Zeit hat keine Zeit, ich wagte den Quantensprung. Kein Einzelfall. Ich ging in den Sonnenuntergang und kehrte nie zurück. Wer wollte, konnte mich im Rückspiegel verschwinden sehen. Also verließ ich die Berge und fuhr ans Meer und wurde: ER

r.galenza 2001