Falle des Falsetts

Ich ging in die Falle des Falsetts. Die Optionen opponierten, Mystik marodierte. Heilsbringer, Apologeten und rausende Wirrköpfe waren unterwegs zum großen Treffen. Statt Stadtwasser gab es Wein. Die öffentlichen Anschläge an den Kirchentüren verhießen Zwist und Verfolgung. Die desavouierenden Dekrete schrieen: Die Frauen sind schuld!! Sie meinten nicht die Liebesdienerinnen, die willigen Benutzen, Mißbrauchten, Wohlfeilen, Wohlfrommen. Nein, Kirchengesang war fortan Männersache. Die Stunde der Kastraten in den Kapellen der Kartharsis begann. Hallelujah!

Wurzellose Wanderer zwischen zwielichtigen Welten. Katholische Katecheten kaschierten ihre neuen Kartelle. Männer in die cholerischen Chöre! Ein Memorandum der mäandernden Männlichkeit. Ei, Ei, Ei! Hilflose Jünglinge und frustrierte Ehekerle versuchten nun verruchte Versatilität vorzutäuschen. Das ganze unbenennbare Schwulsein hinuntergeschluckt, das Selbst vergessen, allzeit bereit fürs Gemeinwohl. Wohl denn. Die stille Auskunft über sich selbst am eigenen Schrein bei Kerzenschein. Der verinnerlichte Selbstbetrug im Tagebuch. Der stille Wille.

Sich aufopfern für sich selbst. Die Angst vorm Bekenntnis. Das Coming-Out nach innen. Die Zweifel, das Hoffen. Die scheinbaren, verlorenen Auswege vor sich selbst. Die Feigheit. Die Dauerlatte. Das Begehren des Anderen. Das Eingeständnis. Die Erkenntnis. Der erste Fick! Die Befreiung. Das Ankommen, die Erlösung. Die neue Definition des Ichs. Die Bars. Die Treffen. Die Liebe. Die Enttäuschungen. Die Kompromisse. Die Trauer. Das Bangen. Das Lernen. Das Erkennen. In der Falle des Falsetts bei frivolen, filigran-fluffigen Frauenverächtern! Oder so. All die Herausforderungen & Verlockungen. Diese Euphorie. Die Verzückung!

Die Nächte flohen. Soviele Freunde auf einmal. Soviele Gönner. Soviel serieller Sex. Alles neu, fremd und faszinierend. Erstmal ist deine Biographie ist kein Problem. Das ging nah und oft zu nah. Der Unterschied war kein Problem. Man wollte dabei sein. Die Morgen taten weh und gut. Man konnte sich verstellen und bleiben oder weggehen. Man war so allein. Die Sehnsucht sägte still nach innen und fragte nicht nach morgen. Viel ist nicht übrig geblieben. Wirklich nicht genug. Aber weder das Schlechte und Schöne sind umsonst gewesen.

Stell dich oder scheitere! Für immer. Sag wer du bist. Wir haben dich gekannt. Aufgegeben und vermißt. Sollten wir dich weiter lieben oder in Ruhe scheitern lassen? Soviele Wege. Frag, wenn du willst. Wir werden da sein oder auf der Flucht. Wir wollten noch glücklich bleiben. Aber irgendwas wartete schon auf uns. Es gab Wahrheit und Hoffen, vielleicht war es falsch zu gehen. Die einen gingen, die anderen scheiterten. Es ging um Stolz und Beweise. Manche kehrten nie zurück. Die wurden bewundert und nicht vermißt. Sie standen mit dem Rücken zur Wand, wir Rücken an Bauch, und wir wollten das so. Das machte uns leerer. Und freier. Heute träumen wir nicht mal mehr davon. Wir waren hin und weg. Alles nicht so wichtig hier, man sieht sich.

Dreißig Jahre später. Geschichten vom Leben. Die Suche nach sich in euch. Wir dachten, uns wird nichts passieren. Alles wird gut. Sollten wir uns suchen oder wegsehen? Wir haben uns gekannt und vergessen. Wir wußten, das es so kommen wird. Manchmal, wenn ein Zug vorbei fährt, gestatten wir uns einen Teil der Erinnerungen. Ein Hauch, einen Luftzug, die Sterntaler. Kein Warten mehr, wir vergaben uns selbst und lassen es so, wie es ist. Wir vergaben uns zuerst vor uns selbst. Es gibt immer was, was wichtig ist. Hinter den Sternen.

r. galenza