Fels ohne Brandung
Reverend Unisex kam an Bord. Auf See und vor Gericht sind wir alle allein. Jedenfalls überbrachte er Labsal für unsere Skorbut-Jungs. Bulgarisches Balsam & Princess-Böhnchen im Mantel. Da ein spruchreifer Spruch, hier ein Handauflegen, ein interessiert Tun. Die See ging schwer. Für's SOS war es noch zu samtig. Schaumblind stierten wir in die Gischt. Ein Branden und Tosen! Alle Wetter! Schaumgeboren hofften wir auf Nachlaß und weniger Kotze. Die immer gleichen Firmanente, kein Ablaß, keine Patente. Der Aquavit kreiste. Gebar Raben und Sagen. Das obligatorische Seemannsgarn.
Von Fabelwesen und Despoten, dem Faun aus den Bergen, keine Spur. Unser Mann an den Hünengräbern. Probte der wieder mit den Armeen der Finsternis, als Herrscher über alle windigen Paradieshügel. Feste Kerle weinten vor ihm und seinen dreibeinigen Pferden. Die besten Männer gingen hinaus, die Legende zu prüfen; wir sahen sie nie wieder. Ahnten sie als eingebildete Schatten über nebligen Äckern. Gichtige Gnome der Gegenwelt. Kontaktscheue Kobolde des Konflikts. Händler des Dunklen. Wochen später, wir lagen hungrig vor Anker, zog ihre Meute mit Donnerkeilen, Trommelfeuer und immerwährendem Singsang an uns vorüber. Überall Nebel, fadenscheinige Ausreden und klammes Licht. Sollten wir zweifeln? Bangen? Eine imposante Streitmacht des Nichts. Immer dar. Die kannten alle Spalten des Zweifels. Die Boote bebten. Imposante heidnische Halluzinationen oder die Zeichen der Zeit?
Es erschien: der Planken-Gott! Der kannte sich aus und übernahm das Ruder. Ein lautes Horn riet uns Abgang. Für viele eine fußlahme Flucht unter Flüchen. In der ewigen Dunkelheit aller Meere waren wir plötzlich selbst die Armee der verlorenen Seelen. Kein Wind. Das Horn war kein Kap. Vielleicht eine letzte Aufforderung. Gegen den Zorn der Zögerlichen. Es gab Schnaps für alle. Wir saßen in der Falle. Pathetisch, träge und tapfer. Die Propheten prophezeiten schwere Gezeiten. Die Geweihten schwiegen. Wie immer. Die Sterne himmelten uns an. Die Seekranken kamen an Pfähle. Die nichts als überleben garantierten. Es gab einige Abgänge. Tauchgänge in die Ewigkeit.
Der Reverend machte den Käpt'n besoffen. Mit Worten. Und öligem Whiskey. Er laß dem Seebär die Leviten. Zuerst versteigerte er Katzen und Kerzen und dann alles. Die Mannschaft hielt still. Sturm zog auf. Er ging ungesehen von Bord. Die Nacht machte blind wie das heillose Gesöff des Trosts. Ein Barmen der Banausen. Die immerwährenden Branntwein-Balladen aller alten Routen. Von Ferne die Lichter der ungewissen Küsten. Versprechen allerorten. Waren das Leuchtfeuer? Fegefeuer? Erlösungs-Offerten? Die Augen der Sirenen? Illuminationen? Jede Bucht eine Buße. Jeder Hafen ein Versprechen. Und eine Lüge. Äolische Gestade.Ich war ein Fels ohne Brandung.
Der Smutje ging irr: orderte Bananenvögel, Reisratten und Kotzekocher. Das Meeresfrüchtchen. Wir soffen mit Angstaugen den Meßwein des flüchtigen Priesters. Salbten uns mit den Salztränen der Verblichenen. Badeten in Walfett. Fremde Gestade. Das Salz dünnte das Blut, die Taue hielten uns im Leben. Masturbierende Masten. Uns beschlugen die Augen von innen. Der Rum war alle, der Absinth machte uns blind. Die ersten vergingen sich am Lampenöl. Beim Klabautermann! Die Bohlen ächzten, die Männer lechzten. Gesungen oder gesunken - das war den meisten längst egal.
Und wieder erschien der Planken-Gott. Überbrachte Depeschen, radebrechte von den Stürmen des Lebens, Barmherzigkeit und Vergänglichkeit. Von den Düften der Fäulnis. Der gab mit dem Fegefeuer an. Wir feuerten ihn. Und plünderten die Kombüse. Ein trunkener Maat drohte verzweifelt die Ankunft von Klage- und Wasch-Weibern an. Wir versprachen ihm eine See-Bestattung ohne Begattung. Opfer müssen sein, ohne Wenn und Abrakadabra. Das Steuer lief wund. Die Bärte rauschten vor Schmerz. Luv und Lee stachen in See. Panik machte sich breit. Breit wie die Lotsen verlosten wir das imaginäre Erbe. Das Logbuch lockte niemanden, der Kompaß geriet zum Kompromiß. Der Sixtant riß unseren besten Mann in die Schraube. Die Seekranken schäumten und pißten gegen den Wind. Der 1. Offizier floh weinend, er ritt auf einem Seepferdchen davon.
Jetzt mal Butter bei die Fische. Die Mannschaft rebelliert, der floß längst das Blut aus dem Maul. Es ging längst um alles. Gebete & Flüche. Die üblichen, dilettantischen Keilereien um die Rettungsboote. Frauen & Kinder zuerst!! Aber es waren nur flennende Mannsbilder an Bord. Die gingen ab. Unsere Besten legten und lasen die Karten. Erforschten die Untiefen ihrer Seelen. Gingen dabei baden. Der Planken-Gott empfahl hämisch Fackeln für ein S.O.S. So Oder So. Gestandene Kerle greinten, denn der Schoner schlug leck. Eine orgiastische Party aus Wind, Ozean, Hoffnungslosigkeit und Kälte. Nun wurde es wirklich rauh, eine keifendende Horde aus schierem Entsetzen. Es war nachtschwarz, laut und jetzt wirklich ernst. Und in der Küche brät eine Flunder Wunder.
r. galenza 13.10.2002