Im Hinterzimmer der Globalisierung

Halbfett im Halbschatten
der hechelnden Versäumnisgesellschaft
unablässiges Erlebnismarketing
Spaß muß das auch noch machen

Ich und mein Stolz
wußten gleich Bescheid
Da muß viel mehr Wissen rein
mach nur was dein Herz dir sagt

Ich mag die Zweifel
und diese stille Angst
die Globalisierung der Gefühle
dieses ständige Hoffen, Balgen und Bangen

Politischer Samisdat
samt Bandsalat
in konspirativen Hinterzimmern
verloren wir unser Gesicht

heute üben wir uns
in Stillstand und Langeweile
Tag für Tag existieren wir weltweit
in unsagbarer Melancholie

wir standen auf Heten und Käthen
ohne Peseten
auf verpeilten Feten
nicht aber auf globale Raketen

Voller Wahn Wut Lust und Schellen
hausieren wir in urbanen Leerstellen
ohne Zeithorizont der Freiheit
lohnunabhängige Freigeister mit zuviel Freizeit

Der Kuchen war verteilt
Enttäuschung die sich die Hoffnung teilt
wir hatten den Braten gerochen
unser Stolz war gebrochen

Freude schöner Götter Funken
das Versinken aller Halunken
die Armut der Freunde als
gemeuchelte Sozial-Katechismen

Dabei könnten wir glücklicher sein
über unser selbstbestimmtes Leben
auf der Parkbank voller Uhren
die Anderen hatten Geld, wir die Zeit

Dann haben wir das System gefickt
wurden IT- und Cocktail-Spezialisten
haben den Kapitalismus gefressen
und dann hat uns das System gefickt

Wir waren die universal Tellerwäscher
leistungsbereit und metro-sexuell
zu jeder Schandtat bereit
dann drängelte die Einsamkeit

so kam die Welt zu uns
wurden Sonderposten an der Resterampe
wie alles Neue wurden wir
ein marodes Massenphänomen

Wir leben die Zukunft unserer Vergangenheit.
Einzeller wollen Kuschelsex
Fickt euch! und alle anderen
Vasallen des Schweinesystems

Selbstmitleid unplugged wurde Schlager-Süßtafel
Wir sind die wunde Stelle ohne Stelle
die Geharzten des Staunens
Voller Würde eines gebrochenen Lebenslaufs

leicht erregbare Beobachter
von geschwätziger Allgemeinheit
wo Schweigen angemessen erschiene
um dem Massengeschmack zu widersprechen

Wenn wir etwas interessant finden
müssen wir niemanden davon erzählen
Das Pathos des Einzelnen
ist wärmender Selbstbetrug

Wir schlafen im Dunkeln
da ist immer gut kunkeln
und die Welt geht baden

R. Galenza 6.3.2005