fahrensleute

 

wir kamen von china

segelten blind über mongolien

die rückkehr schmerzt wie immer

ins kalte alte europa

die kleingärten der sattheit

liegt das an mir

ich hör mir zu wie

ich von meiner kleinen

beschissenen liebe zu asien singe

von den lepraoffenen auf dem weg

zur untergrundbahn in dehli

den kaputten vor der tanke

hinter bombay als

ich nicht mehr schlief

voller unreligöser geister

in den stunden des zweifels

 

als ich im schlaf sprach von

den kriegskrüppeln in saigon

die nicht betteln dürfen

trotzdem leben wollen

ihr  nervendes lachen und barmen

die illegalen fischer vor hue

die nachtbullen hanois

die suppenküchen wegprügeln

die wellblech-kings unter der

giftigen hochstraße von haikou

der krieg ist nicht aus

frag die zerstörten vom tianamen

nur die preise steigen

auf dem stinkigen fischmarkt

in der hitze von pnohm phen

wo aids und hepatitis hausieren

liebe wohlfeil als flucht

plötzlich waren wir die klischees

fremd auf dieser welt

 

die verbrannten gesichter in der

u-bahn von bejing als alle

entsetzt wegschauten

die blinden sänger in der

kahosan road bangkoks

mit ihren trostlosen lautsprechern

es ging hinter den sternen

wie immer um geld

dieses groschengrab

wie laos hinterm mekong

als die zeit einfach aufhörte

zu existieren einmal

durchs leben und zurück

das leben der anderen

wenn ich das schreib

werden viele von denen

schon nicht mehr leben

 

hab soviel gesehen

und nichts erzählt

immerhin die freiheit

zu verduften in sichere häfen

zu den todesbereiten in varanasi

so soffen wir besinnungslos auf all die

bambooschnaps oder mekongwhisky

die zweite reisernte oder

kolonialweine auf unsere

mittelmäßigkeit ich wollte

nur mal irgendwo hin

in den kurzen momenten

eines verblichenen glücks

kaufen uns alte kleider

dann sieht die welt

gleich besser aus

was ich überall suche

hat mich wohl längst gefunden

 
r. galenza, 4. juni 2009

 (20 Jahre nach dem Massaker auf dem Tianamen Platz in Peking)