Sag mir wo du stehst!
"Sag mir wo du stehtst!" forderte Ende der sechziger Jahre das Team 4, eine der ersten Beat-Combos der DDR. Mit dem Überschwappen von Punk und New Wave hatte eine neue, junge Generation von Musikern keinen Bock mehr auf staatlich kontrolliertes Liedgut.
Anfang der Achtziger explodierte der Underground in Städten wie Berlin, Leipzig, Dresen und Weimar. Bands wie Rosa Extra, Aufruhr zur Liebe, Happy Straps, Feeling B, Der Demokratische Konsum oder Schleim-Keim böllterten lautstark gegen den verordneten Frohsinn der Puhdys, Karat oder Electra an. Sie spielten in Kellern, Gärten Wohnungen und Kirchen. Sie wandelten ständig am Rande der Illegalität: Feten wurden aufgelöst, Instrumente beschlagnahmt, Bands verboten.
Ab Mitte der Achtziger schlichen sich erste Lockerungen in den starren Kulturbetrieb. Die sogenannten "anderen Bands" erhielten plötzlich die zum Auftreten notwendigen Einstufungen, sie durften in staatlichen Kulturhäusern und FDJ-Clubs spielen. Mit "X-Mal!" rockte die erste Independent-Disco in Ost-Berlin und zog hungerte von jungen Leuten an.
Neue Gruppen gründeten sich, wie Die Skeptiker, Die Art, Die Vision, die anderen oder AG Geige. Diese Entwicklung war nicht länger aufzuhalten, die bemerkten auch die oberen Geschmacks-Kommissare der FDJ und holten schnell umjubelte Weststars ins Land. Gegen Ende des sozialistischen Albtraums hatte sich längst eine vielseitige Szene etabliert, die ganz verschiedenen Stilen und musikalischen Richtungen frönte. Die Festivals wanderten aus den Kirchen auf Wiesen und größere Hallen, selbst der "Palast der Republik" der Genossen schmückte sich nun mit den schrägen Klängen. Die ersten Schallplatten erschienen auf dem staatlichen Label Amiga und Jugendradio DT 64 kümmerte sich parziell um die neue, ungewohnte Musik.
Die Wende 1989 erzeugte zuallererst Euphorie und Begeisterung bei den Bands. Vier von ihnen, Iron Henning, Sandow, Die Vision und Big Savod, konnten gleich im November 89 am Westberliner Senatsrockwettbewerb teilnehmen. Erste kleine Touren wurden organisiert. Doch diese Aufbruchstimmung hielt nur kurz. Die DDR-Bands waren im Westen gänzlich unbekannt, kaum ein Club ging da ein Risiko ein. Die ersten flugs gegründeten Label mußten rasch wieder aufgeben und die Ost-Combos hatten es schwer, bei kompetenten Partnern der alten BRD unterzukommen. Ausnahmen waren vielleicht Keimzeit, Die Art oder die Skeptiker. Alle anderen hatten es schwer, viele bezahlten bitteres Lehrgeld wie die Inchtabokatables oder Big Savod. Heute, sechs Jahre nach dem Mauerfall, hat sich die Lage weitestgehend stabilisiert, obwohl es nach wie vor sehr schwierig ist, für eine Ost-Band eine Tour durch den Westen zusammen zu bekommen. Die meisten Ex-DDR-Kapellen haben sich inzwischen aufgelöst oder sind bei anerkannten Label gelandet. Und neue, hungrige Bands wie Rammstein drängen auf die Bühnen, denn the beat goes on!
Ronald Galenza
Januar 1995 ME Sounds/ Musikexpress 2/95