Die Skeptiker

„Bei uns ist noch der Schrei der Unzufriedenheit zu hören." ( Zitat Skeptiker).

AMIGA bleibt der Planwirtschaft treu und veröffentlich jeden Monat eine LP der sogenannten neuen, schrägen Bands. Der April brachte nicht nur Skepsis gegenüber dem Wetter, sondern auch die erste LP der SKEPTIKER aus Berlin. Die heißt recht treffend „Harte Zeiten“ und kam im Westen schon zwei Monate ehern heraus. Eingespielt wurde die Platte nämlich bei TEUTO -RECORDS=LENGERICH,- einem kleinen Label in der Nähe von Osnabrück, von dem die Band heute aber meint es krebse am Rande der Bedeutungslosigkeit herum.

Dieser Deal war schon vor der Wende zustande gekommen, das bedeutete für die Skeptiker, einige Texte noch leicht bearbeiten zu müssen, da sich die gesellschaftliche Relevanz ja nun verändert hat.
„Mein Lebensgefühl ist eigentlich ein ziemlich mieses. Ich seh` alles ganz schön düster; und das drückt ,sich in unseren Sachen aus, aber immer mit dem Prinzip Hoffnung. Wir schildern also Milieus oder Situationen, die eigentlich ausweglos sind, aber es ist trotzdem dieser Funke Hoffnung enthalten,  klar, sonst könnte man ja nicht leben."

Dieses Zitat von Sänger Eugen Balenskat auf der Innenhülle zeigt ganz treffend die Richtung, in welche die Skeptiker arbeiten. Sie spielen intensiven Punk-Rock in traditionellem Stil. Ihre schnelle Musik hat aber durch Tempo, Wildheit und spannungsvolle Dynamik genug Kraft und Ausdauer, über LP-Länge zu bestehen. Da wird flott gebolzt, beweist man Tempohärte über die volle Zeit. Die Schießbude gibt den harschen Beat vor, die Gitarren sägen und säbeln griffig und raub.
Der Scheibe hätte es allerdings gut getan, wenn die Skeptiker ihren Hauruck-Stil etwas mehr variiert hätten. Gute Ansätze sind ja vorhanden („Pierre und Luce"). Die Kompositionen und Arrangements kommen von der gesamten Gruppe: Marcel Hofer (dr), Andreas Welfle (b), Andreas Kupsch (g), Christoph Buntrock (g) und Eugen Balanskat (voc). Ihre Spannung und Brisanz bezieht diese Platte aber vor allem aus den deutschen Texten Eugen Bahnskats. Es war ja immer der Vorteil und Identifikationspunkt der jungen Bands, das sie Zeitprobleme ehrlich und unverlogen aufgriffen und publik machten. Eugen ist mit seinen düsteren, wütenden Texten sehr dicht und nah am Leben seiner Fans und Hörer. Da wird nicht gelabert, sondern konkret benannt. Liebe spielt in seinen Texten keine Rolle, allenfalls die Kälte zwischen den Geschlechtern:. „Die schönen. Frauen gehn stolz vorbei / wenn sie die Lust in geilen Männerblicken sehn. / Ein wenig Sex ist ja ganz schön, / doch dafür werde ich niemals zum Hampelmann" (aus „Das goldene Kalb").
Er singt von Umweltzerstörung, Homosexualität, Großstadtleben, von Einsamkeit, Verlassensein und Isolation: „Alle, Zeit empfinde ich Verlorenheit / kann mich drehen wie ich will / nie vergess ich das Gefühl. /jede Zeit ist für mich voll Bitterkeit / meine Zeit ist Dunkelheit. "
Da spricht Verzweiflung aus dem Lodenmantel. Die Texte: wirken gesungen aber gar nicht so düster und schwermütig, denn durch die forsche Musik bekommen sie eine ganz eigene Spannung, Im holprigen Rhythmus raus der Zeit heißt es da im Titelsong „Harte Zeiten": „Hart ist jede neue Zeit / besonders heut' / eh man sich entscheiden kann, / da hat man 's schon bereut. / Niemand weiß wohin es geht, / denn keiner kennt den Weg. / Chaos alle Tage lang, / so lang die Weit besteht."
Die Skeptiker gelten ja als gestählte Live-Band und stellten das mittlerweile auch im Westen unter Beweis (Konzerte bei der „Pop -Komm"- Messe in Düsseldorf und beim NRW-Rock-Wettbewerb u. a.). Da ernteten sie allenthalben Anerkennung. In der Musik-Zeitschrift „Fachblatt" wurden sie sogar „Gruppe des Monats", deswegen heben sie aber nicht gleich ab, sondern bleiben, was sie immer waren: skeptisch.

Etwas enttäuscht bin ich vom Cover, Feeling B, AG Geige und Sandow hatten eigenwilligere Ideen. Da nahm wohl der West-Partner Einfluss, denn die Hülle unterscheidet sich nicht wesentlich von den Massenproduktionen dieser Art. Na, vielleicht beim nächsten Mal, denn die Skeptiker werden inzwischen wohl kaum an Geschwindigkeit, Schärfe und Bissigkeit verlieren. Gut so.

Ronald Galenza - In „Melodie und Rhythmus“ Heft 5 / 1990