GREEN Adam - Friends of mine

(Rough Trade)

Friends of mine.jpgWas will uns Anti-Folk sagen? Hatten wir irgendwas verpaßt? New York, East End. Fast jeder neue Trend im Big Apple definiert sich durch die Ablehnung eines anderen. Mit Folk hatten sie in all den Jahrhunderten schon eine Menge angestellt, nun also Anti-Folk. Der wendet sich gegen die Betroffenheitsgesichter, die ihr selbstbezogenes Leiden an der Welt bevorzugt zur Laute vortragen. Aber hier geht es um Sex mit beinlosen Frauen, Selbstbefriedigung und Suizide. Ach ja, die Jugend. 22 ist dieser Kerl namens Adam Green erst und kennt sich schon aus in den Spelunken des Lebens. Bisher kannte man ihn gar nicht oder als Teil der durchgeknallten Moldy Peaches. Mit seiner Kollegin Kimya Dawson stülpte er sich in schöner Regelmäßigkeit freakige Tierkostüme über und besang die beachtlichen Kräfte seines monströsen Geschlechtsorgans. Das aberwitzige LoFi-Geschrammel der beiden konnte schon so manchen Gutmenschen erschrecken. Nun kommt Adam Green allein und sehr melodisch die Straße entlang. In einer halben Stunde besingt er witzige, absurde, bitterböse und versaute Anekdoten. Es wundert einen nicht, wenn er sich wünscht, auf einem Parkplatz vergewaltigt zu werden ("Bunnyranch"), denn er weiß zwischen Zynismus und Sarkasmus unterscheiden. Ganz köstlich besingt stimmt er den Abgesang auf die gestrauchelte Teen-Pop-Prinzessin "Jessica Simpson" an: "Where has your love gone / It's not in your music, no". Zu solchem Schabernack fährt Green dann Geigen auf, als gelte es Leben zu retten. Auf "Friends of mine" besingt Green zehn Momente, die einem das Lächeln im Gesicht gefrieren lassen. "Later that day in gym class / She ate a mouth full of anthrax / Go to sleep" berichtet er aus heiterem Himmel in "I wanna die" und muß wenig später gleich den nächsten Verlust beklagen. "She went bungee jumping / One fine day / Off the cliffs of our friendship / And at the bottom she stayed". Das alles in ganz famosen, warmen Pop-Country-Folk vorgetragen, der zum Mitsingen zwingt. Keine Ausreden! Aber hey, es geht doch nur um "Suicide, Suicide", als würde er über die schönste Sache der Welt singen. So schön kann Gemeinheit klingen.

Electric Galenza ZONIC, Greifswald 20. Okt. 2003