PETER GLASER - Geschichte von Nichts
Glasers Figuren sind "ich-gestört", sie wollen nicht funktionieren. Sie bleiben stur bei sich. Es geht um nichts - und doch um viel, nämlich um Menschen in der modernen Alltäglichkeit. Geschichten aus einem Leben, das ganz allmählich aus der Spur eines normalen Alltags gefallen ist. Wie kann man bestehen in einer Welt, die sich jeder Sinngebung verweigert? Glaser liefert keine Antworten, aber Beispiele, wie Menschen versuchen, sich stolz zu behaupten. Mit extrem geschärfter Wahrnehmung und einer Lakonie, die den Zumutungen der Wirklichkeit ein feines, wissendes Lächeln entgegensetzt, folgt er ihren Versuchen durchzuhalten. Und dies sehr still, er nimmt seine Leute ernst.
So führt die Titelgeschichte in rasanter Fahrt vom Fuße der Pyramiden von Gizeh durch Griechenland und Italien nach Hamburg, immer auf den Fersen eines jungen Deutschen, der seine davongefahrene alte Tante sucht und dabei vom Verrat seiner Geliebten erfährt. In der Erzählung "Raumpflege" entfaltet sich eine stimmige Verschwörungstheorie, nach der ein Analphabet, eine Putzfrau und ein Steuerberater den Lauf der Welt verändern. Durch die sehr genaue Beobachtung und die große Kunst der erzählerischen Genauigkeit entstehen Texte und Bilder, die die Weltwahrnehmung des Lesers erweitern, weil sie rätselhafte Berührungen mit der Wirklichkeit herbeiführen. Man kann viele Sätze lesen, die die ganze Umgebung erstrahlen lassen. Denn Glaser erfindet und sieht Bilder und Gleichnisse, die einen in ihrer Schönheit erzittern lassen können.
Peter Glaser - "Geschichte von Nichts" - Kiepenheuer & Witsch 2003
R. Galenza Januar 2004